Von Günter Meier

Die Landschaft um Karlsruhe herum hat einiges zu bieten: Malerische Fachwerkhäuser, Ziehbrunnen, Aussichtstürme, auffällige Gebäude oder Schlösser, interessante Fabriken, Wirtshausschilder oder Skulpturen, aber auch Altrheinarme, Inseln oder einfach nur Natur. “Hingucker” sind das allemal.

SchwedenkreuzeManchmal muss man schon genau hingucken: Wer von Bruchsal kommend die B3 Richtung Stettfeld nimmt, sieht am Löwenplatz direkt gegenüber der Bushaltestelle drei Steinkreuze, eingelassen in eine Betonmauer. Nein, welche Toten oder welches Ereignis mit diesen Kreuzen bedacht wurde, das sei nicht festzustellen, sagt Günter Meier, Vorsitzender der Gesellschaft zur Erhaltung und Erforschung der Kleindenkmale in Baden-Württemberg (GEEK). Der Volksmund hat Erklärungen für die Steinkreuze zu finden versucht: Oft wurden sie Römer- oder Schwedenkreuze genannt. Meier verweist beides ins Reich der Fabel: Römer stellten keine Kreuze auf, und das Schwedenkreuz als Inbegriff alles “Schlimmen” des Dreißigjährigen Krieges sei eine typische Wandersage. (Anmerkung: Die Stettfelder Schwedenkreuze wurden im Zusammenhang der Erhaltung von Kleindenkmale in Baden-Württemberg dankenswerterweise durch Herrn Malermeister Bruno Deutsch fachmännisch restauriert. Ganz ohne Zweifel, die Steinkreuze stellen seit der Sanierung für den Ortsteil Stettfeld der Gemeinde Ubstadt-Weiher eine Bereicherung dar.)

“Zweifelsfrei fest steht aber: Hier ist jemand eines unnatürlichen Todes gestorben.” Ein Blitzschlag, Unfall oder Mord und Totschlag, alles ist denkbar. Nähme man den letzten Fall an, handle es sich um Sühnekreuze. Günter Meier holt weit aus: “Da genügte oft schon ein Nicht-Ausweichen mit dem Fuhrwerk, und es kam zu einem Streit, bei dem einer den Tod fand.” Nichts Außergewöhnliches zurzeit der “alten Germanen”, erläutert Meier: “Oft waren die Parteien der Kontrahenten – gerade unter dem Druck äußerer Feinde – gezwungen, sich zu einigen.” Also sei es zu Verträgen gekommen, in denen der Täter zusagte, die Sippe des Getöteten für den Verlust zu entschädigen.

Spätestens zu christlicher Zeit seien zum Sühnevertrag andere Merkmale hinzugekommen, “und nun kommen auch die Kreuze und ihre Bedeutung ins Spiel. Der Sühnevertrag sah vor, dass der durch Gewalt vor den Herrgott Getretene freigebetet werden sollte. Der Täter wurde verpflichtet, auf Wallfahrt zu gehen.” Als weitere Bußleistung musste er im Leichenzug mit unbekleidetem Oberkörper gehen und ein Büßergewand tragen. Darüber hinaus konnte er verpflichtet werden, am Tatort ein “Memento” aufstellen zu lassen: “Es gibt eine Urkunde aus Helmsheim und Untergrombach, in der bestimmt wird, es müsse ein steinernes Kreuz an einer allgemein begangenen Straße gesetzt werden.” Das Problem der Heimatforscher: “Wir haben einige Sühneverträge und keine Kreuze dazu, und bei diesen drei hier ist es umgekehrt: Es gibt keinen dazu passenden Sühnevertrag.”

1063 Steinkreuze finden sich in Baden-Württemberg, 20 Prozent davon seien erwiesen und belegbar Sühnekreuze, vor allem aus dem 14. bis 16 Jahrhundert, berichtet Günter Meier. Mit der Einführung der “Peinlichen Halsgerichtsordnung” durch Kaiser Karl V. 1532 wurden die privatrechtlichen Sühneverträge durch ein landesherrliches Gerichtswesen abgelöst. So verlor diese Form der Schuldtilgung an Bedeutung und endete wohl im 18. Jahrhundert endgültig. Dementsprechend seien denn auch viele später aufgestellte Kreuze als “Gedenkkreuze” zu bewerten. Die drei Kreuze an der B3 in Stettfeld standen ursprünglich nie in dieser Form zusammen, aber sie waren im 17. Jahrhundert schon an ihrem heutigen Standort zu sehen. “Dreiergruppen sind sehr häufig”, sagt Günter Meier. Schließlich sei die Drei eine heilige Zahl. Auch wenn manches im Dunkel der Geschichte bleibt, so kann Meier doch zumindest Aufklärung um die Steinkreuze leisten. “Vor kurzem war eines bei einer Internet-Auktion zu haben. Der Anbieter wusste nicht, was er da verkaufen will. Er hatte es wohl lange auf dem Balkon stehen.”

Weitere Informationen unter: www.suehnekreuz.de
Wikipedia Artikel Steinkreuz

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