Von Karl Simon

Unser Ehrenmitglied Karl Simon hat sich mit der Weiherer Historik aus den 1950er Jahren befasst und hierzu den nachfolgenden Bericht erstellt. Der Heimatverein Ubstadt-Weiher bedankt sich herzlich bei Karl Simon für sein Engagement und für seine zeitintensiven Nachforschungen. Ebenso bei allen, die ihn dabei so kräftig unterstützt haben.

 

Evtl. belegbare Hinweise zu seinen Ausführungen nimmt der Autor gerne entgegen (Tel.Nr.: 07251/63692).

 

Lassen Sie sich in die Zeit der 1950er Jahre versetzen und stellen Sie sich vor, dass Sie mit dem Autor durch die damalige Hauptstraße – Ober- und Unterdorf – von Weiher gehen.

Erinnerungen an die Weiherer Hauptstraße in den 1950er Jahren

Mein nachfolgender Bericht beruht auf Gesprächen mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, eigenem Erleben und Auswertungen von historischen Unterlagen:

„Wir gehen zurück in die 1950er Jahre, in die Zeit des beginnenden Wirtschaftswunders und fangen im Oberdorf an.

Das erste Haus auf der rechten Seite am oberen Ortseingang war das Haus des Karl Spranz. Wie aus alten Bildern zu sehen ist, hat Karl Spranz in seinem Hof Bauholz und andere Holzprodukte hergerichtet. (Das Bild rechts zeigt Karl Spranz beim Richten vom Bauholz in seinem Hof.)

Weiter Dorf einwärts, Haus Nr. 4a, kam auf der rechten Seite das Volksbad. Das Volksbad ist ein Längsbau mit kleinen Fenstern, den ehemaligen Badezellen. Es wurde Ende der 1920iger Jahre von Pius Herzog erbaut und stand Jung und Alt zur Verfügung. 1945 wurde der Betrieb eingestellt.

Auf der linken Seite ist das Haus Nr. 3 und die Praxis des früheren Weiherer Hausarztes Dr. med. Werner Schmidt. Dieser bezog das Haus im Jahr 1953. Bis dahin hatte Dr. Werner Schmidt seine Praxis im Unterdorf. Heute wird von seinem Sohn, Herr Dr. Arvid Schmidt, die Praxis weitergeführt.

Weiter auf der linken Seite das Haus Nr. 5. Hier begann Emil und seine Ehefrau Rita Böser 1949 ein Fuhrunternehmen, das sich wirtschaftlich gut in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg entwickelt hat.

Auf der rechten Seite, Haus Nr. 6, wohnte die Familie Peter Stohner. Sie betrieben in ihrem Haus eine sogenannte Hausindustrie der Zigarrenherstellung. Vater Peter und die Söhne Karl und Willi waren in Weiher und in der Umgebung sehr bekannt als die „Kapelle Stohner“, die immer wieder an bestimmten Tagen zum Tanz aufspielte. Willi und Karl Stohner betrieben Fahrdienste mit ihren Autos.

Ein paar Schritte weiter steht auf der linken Seite das Haus Nr. 11 des damals bekannten Landwirts und Gemeinderates Anton Barth. Darin war auch einige Zeit die Praxis des Zahnarztes Dr. Richard Schlüter.

Danach auf der rechten Seite, Haus Nr. 12a, die Zigarrenfabrik Albert Böser, wo viele Weiherer Frauen und einige Männer beschäftigt und sozial abgesichert waren. Die Frauen, als Zigarrenmacherinnen und einige Männer als Werkmeister und Tagelöhner. Sie konnten an den schönen Betriebsausflügen, die von Albert Böser organisiert und durchgeführt wurden, teilnehmen. (Das Bild zeigt einen Betriebsausflug der Zigarrenfabrik Albert Böser.)

Weiter auf der rechten Seite war das Haus Nr. 14. Es war das Haus des Schneidermeisters Johann Herzog. Durch seinen Tod wurde die Schneiderei 1951 eingestellt.

Auf der linken Seite, Nr. 15, wohnte der Taxiunternehmer Wendelin Schmitt, dessen Dienste man in Weiher gern in Anspruch nahm.

Weiter auf der rechten Seite das Haus Nr. 16. Es war der Gärtnerbetrieb Bernhard Herzog, in welchem eine Blumen- und Kranzbinderei betrieben, Topfpflanzen und Schnittblumen verkauft wurden.

Im Haus Nr. 30, auf der rechten Seite, wurde von Ludwig Geider eine Zigarrenhausindustrie betrieben.

Gleich danach, im Haus Nr. 32, an der Giebelwand zur Straßenseite hin, ist ein großes Kreuz vorhanden, das die fünf Wundmale von Jesus Christus zeigt. In früherer Zeit, so wird erzählt, sei zwischen den Häusern Nr. 32 und Nr. 34 ein Feldweg gewesen, an dem dieses Kreuz gestanden habe. Beim Bau einer Scheune habe der Eigentümer, Theodor Barth („Kreuz-Barth“), dann das Kreuz an der Hauswand zur Straßenseite hin angebracht.

Im Haus daneben, Nr. 34, war die Schreinerei und Glaserei „Gebrüder Händel“, in welcher Fenster und Türen sowie andere Stücke hergestellt und in ganz Baden und darüber hinaus vertrieben und eingebaut worden sind. Dort haben Weiherer Kinder auch ihre „Lättchen“ zum Drachenbau bekommen.

Gegenüber auf der linken Seite das Haus Nr. 31 des Malermeisters Alois Bader, der Maler- und Tapezierarbeiten, Reklame und Leuchttransparente und seine Kunst als Dekorationsmalerei anbot.

Weiter auf der linken Seite, im Haus Nr. 37, das Kleinwarengeschäft Rosa Wagner.

Ebenfalls auf der linken Seite das Haus Nr. 41 des Dorfschmiedes Josef Holzer, welcher die Hufeisen der Weiherer Kühe und Pferde hergerichtet bzw. erneuert und besonders die Sensen gedengelt hat.

Ein paar Schritte weiter kam auf der rechten Seite das Haus Nr. 44 des Schuhmachermeisters Michael Prestel, der Schuhreparaturen und sogar Maßschuhe hergestellt hat.

Gleich daneben, auf der rechten Seite, war das Haus des Schreiners Vinzenc Rothermel, welcher Möbel und sonstige Dinge reparierte bzw. herstellte. Auch er gab den Weiherer Kindern „Lättchen“ zum Drachenbau. Im Vorderhaus war ein Kurzwarengeschäft, das von Hedwig Rothermel betrieben wurde.

Weiter kam auf der rechten Seite das Haus Nr. 50. Dort befand sich das Geschäft von Heinz Bellm, Blechner- und Schlossermeister. Man konnte beim „Bellmer-Heinz“ Öfen, Herde und Haushaltswaren kaufen. Heute ist dort das Geschenkhaus Bellm.

Auf der linken Seite Haus-Nr. 45, bei der Einmündung der Hahnenstraße war das Gemischtwarengeschäft Anna Etzkorn. (s. Bild rechts). Sie bot Obst, Lebensmittel, Flaschenweine, Kurzwaren und Sämereien an. Direkt daneben folgte die „Zigarrenfabrik Böninger“, in der Weiherer Frauen beschäftigt waren. Das Haus war früher ein fürstbischöfliches Jagdhaus, wovon das Wappen an der Giebelseite zeugt.

Weiter in Richtung Kirche auf der rechten Seite das Haus Nr. 60, in welchem das Elektrogeschäft Josef Heneka, seines Zeichens Elektromeister, war. Er bot Installationen, Beleuchtungskörper, Radios und elektrische Wasserversorgungen an.

Richtung Dorfmitte ist auf der linken Seite das „Gasthaus zum Badischen Hof“. Der Inhaber, Emil Hochadel, führte zusammen mit seiner Frau Hildegard gutes badisches Bier und gepflegte Weine in seiner Gastwirtschaft. Im oberen Saal des Gasthauses wurden Veranstaltungen durchgeführt. Daneben betrieb Emil Hochadel eine Rinds-, Kalbs- und Schweineschlächterei. Dort bekamen die Weiherer frische Wurst- und Fleischwaren. (s. Bild. Es zeigt die Hauptstraße im Oberdorf Blickrichtung Kirche.)

Auf der rechten Seite im Haus Nr. 66 der Hauptstraße begann Alfred Lampert mit seinem Geschäft. Er leerte Gruben, die es fast in jedem Haus in Weiher gegeben hat. Dazu benutzte er einen Bulldog mit Anhänger und eine Absaugpumpe.

Weiter auf der rechten Seite das frühere „Zehnthaus“, Haus-Nr. 70. Hier mussten die Weiherer Bürgerinnen und Bürger ihren „Großen Zehnten“ abgeben. Das waren vor allem der zehnte Teil von allen angebauten Getreidearten (Roggen, Hafer, Gerste und Weizen). Der Ortspfarrer erhob den „Kleinen Zehnten“, was vor allem Hanf, Flachs, Welschkorn, Kraut, Rüben, Raps, Mohn, Hirse und Kartoffeln, Bohnen und Tabak waren. Diese „Zehntwaren“ wurden mit Pferdefuhrwerken nach Kislau verbracht.

Auf der linken Seite, Nr. 65, war die Bäckerei, Konditorei und das Café Karl Martin und Ehefrau Agnes Herzog, wo die Kunden „erstklassige Torten und Teegebäck, Naturreine Weine – ff.Speiseeis“, Kraichgauer Bier, kalte und warme Speisen kaufen und genießen konnten.

Gegenüber auf der rechten Seite wohnte der Ortssanitäter Thomas Meister im Haus Nr. 74. Er half den Leuten bei Verletzungen und leistete Erste Hilfe. Während des 2. Weltkrieges legte er bei Brandverletzungen z.B. Phosphorbrandwunden, spezielle Salbenverbände an.

Auf der linken Seite stand das alte Rat- und Schulhaus. Dieses wurde 1979/1980 abgerissen. Heute steht dort die „Mehrzweckhalle“. Bei der Mehrzweckhalle am dortigen Parkplatz steht das Glockentürmchen, welches früher auf dem Dach des alten Rathauses stand. Darin hing ein Glöckchen, mit welchem bei Feuer und sonstigen großen Gefahren Alarm geläutet wurde. Während des 2. Weltkrieges war anstelle des Glöckchens eine Sirene vorhanden, mit welcher für den Ort Fliegeralarme gegeben wurden. Mitte des zweiten Weltkrieges wurde im ganzen Ort eine Ortsrufanlage mit Rohrlautsprechern installiert. Damit wurden die Bekanntmachungen der Gemeindeverwaltung übertragen und die Sirenenalarme gegeben.

Vor dem alten Rat- und Schulhaus steht das Kriegerdenkmal (s. Bild oben); heute bei der Einmündung der Schulstraße in die Hauptstraße. Es erinnert an den Krieg 1870/71 und wurde aus Dankbarkeit für die Kriegsteilnehmer aus Weiher im Feindesland von der Gemeinde errichtet.

Nach der Mehrzweckhalle kommt die Einmündung der Schul- in die Hauptstraße. Auf der linken Seite stand das „Milchhäusel“. (Das Bild rechts zeigt das „Milchhäusel“ und ein Teil der alten Brunnenstraße). Der Betreiber des „Milchhäusels“ war bis gegen Mitte der 1950er Jahre die Spar- und Darlehenskasse Weiher. Eigentümer war nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen die Gemeinde Weiher. Im „Milchhäusel“ wurde die Milch- und Spargelerfassung und der Verkauf von Milch- und Molkereiprodukten betrieben. Ab 1952 war Baubeginn eines neuen Gebäudes durch die Raiffeisengenossenschaft in der Schulstraße. Danach wurde der Betrieb im alten „Milchhäusel“ eingestellt und in der Schulstraße mit einer Erweiterung des Warenangebotes begonnen. Beim alten „Milchhäusel“ waren auch Geräte der Freiwilligen Feuerwehr Weiher untergestellt. Vor dem Milchhäusel war zudem eine Bodenwaage der Gemeinde, mit welcher die Leute das Vieh und anderes wiegen lassen konnten. Hinter dem Milchhäusel war eine überdachte Baracke, in dem die Spargelbauern ihre Spargel abgeben konnten. In dieser wurde auch manchmal Fleisch von Notschlachtungen verkauft.

Auf der linken Seite neben dem Milchhäusel stand das Haus des Ferdinand Wippel, der Ansprechpartner für die Bevölkerung in Sachen Krankenversicherungen war.

Gegenüber auf der rechten Seite steht das jetzt umgebaute Haus Nr. 82. Hier wohnte Paul Etzkorn, Ortschronist, Kunstmaler und Heimatforscher. Neben anderen bedeutenden historischen Schriften schrieb er auch die Geschichte vom Heiligen Wendelin und der Wendelinuskapelle im Lußhardtwald. Er war ein Mann, der im Dorf angesehen war. Er leistete Erste Hilfe bei Verletzungen und half bei Krankheiten. In historischen Unterlagen sind Zeichnungen und Skizzen von Paul Etzkorn zu finden.

Einige Meter weiter steht auf der rechten Seite das Haus Nr. 90 des Mechanikermeisters Karl Spross. Er verkaufte NSU-Fahr- und Motorräder und empfahl sich als „Fachmann für Anschaffungen und Reparaturen“. Karl Spross hatte eine große Auswahl an Fahrzeugen und einem reichhaltigem Ersatzteillager sowie eine bestens eingerichtete Reparaturwerkstätte. Im Hof war auch eine Tankstelle.

Auf der linken Seite kam gegenüber das Haus von Fridolin und Ruth Riegel. Während diese im Obergeschoß wohnten, waren die unteren Räume an Geschäftsleute vermietet.

Weiter auf der linken Seite kam eine überbaute Einfahrt. Daneben der Laden von Emma Brenner im Haus Nr. 83. Sie führte Kolonialwaren und Spirituosen. Man konnte auch Kommunionsachen wie Kränzchen, Kerzen usw. kaufen. Im Volksmund nannte man den Laden auch „Josefine“.

Gegenüber auf der rechten Seite steht das Pfarrhaus. Dieses wurde 1903 fertiggestellt, weil das alte Pfarrhaus in einem sehr schlechten Zustand war. Von 1916 bis 1918 wurde es teilweise modernisiert. Im Pfarrhaus wohnte in den 1950er Jahren der Ortspfarrer Friedrich Stadelhofer. Er hatte eine Religionslehrerin (Fräulein Wessing) und eine Haushälterin (Frau Weber) bei sich im Pfarrhaus. Von 1935 bis 1950 lebte Pfarrer Karl Vogel mit seiner Schwester Elisabeth darin. Auch hatte er während und nach dem 2. Weltkrieg die Arztfamilie Dr. med. Sprödt im Haus. Ferner waren von den Bombennächten im Ruhrgebiet erholungssuchende Jugendliche im Pfarrhaus. Pfarrer Vogel hatte im Pfarrgarten Bienen, Reben und Gemüse.

Daneben die Pfarrkirche St. Nikolaus. Sie wurde am 6. Juli 1872 konsekriert. Die Kirche ist eine Art Hallenbau. Der Leiter des Erzbischöflichen Bauamtes Friedrich Feederle hatte den Plan zum Bau der Kirche entworfen. Das Altarbild am Hochaltar ist eine Schöpfung von Ferdinand Keller. Das Kirchendach und Teile der Empore erlitten am Ostersonntag dem 1. April 1945 erhebliche Schäden durch deutschen Artilleriebeschuss nachdem die US Panzerspitze in Weiher eingerückt war. Die Glocken sind 1942 vom Turm geholt und zu Kriegszwecken verwendet worden. Erst 1950, bald nach der Währungsreform, konnten von Pfarrer Karl Vogel kurz vor seiner Versetzung vier neue Glocken beschafft werden.

Die vorstehend genannten Gebäude und andere auf der linken Seite vom Milchhäusel bis in die Einmündung der früheren Brunnenstraße in die Hauptstraße wurden im Zuge der Ortskernsanierung 1979/1980 abgerissen. Diese Fläche ist ein Teil des heutigen Kirchplatzes.

Die Bäckerei Albrecht, damals Hauptstraße 89, heute Kirchplatz 1, steht schräg gegenüber der Kirche auf der linken Seite. Die Bäckerei, Konditorei und das Cafè boten Torten und Teegebäck, naturreine Weine und auch Südweine (Samos) und ff-Speiseeis an.

Gegenüber auf der rechten Seite, nach der Kirche, war das Haus des früheren Försters von Weiher Johann Herzog. Heute steht dort ein neugebautes Haus Kirchplatz Nr. 8.

Auf der linken Seite steht das Haus Kirchplatz Nr. 3, wo früher der „KONSUM“ mit seiner Verkaufsstelle der KONSUM-GENOSSENSCHAFT BRETTEN eGmbH war und Lebensmittel und anderes verkauft hat. Die KONSUM-Verkaufsstelle war in Weiher begehrt wegen ihrer Rabattmärkchen.

Gehen wir weiter so kommt auf der rechten Seite das neue Gebäude Kirchplatz 10. An dieser Stelle stand in den 1950er Jahren das Gebäude „Gasthaus zur Krone“. 1935 zog in dieses Haus die Weiherer „Kinderschule“ ein. Diese war zuvor in einem Raum der Volksschule im alten Rathaus untergebracht. 1969 wurde der heutige „Kindergarten“ fertiggestellt und eingeweiht und die Kinderschule wurde dorthin verlegt. In der alten Kinderschule im früheren Gasthaus zur Krone waren mehrere Fälle von spinaler Kinderlähmung aufgetreten, was den damaligen Pfarrer Stadelhofer veranlasst hat, einen neuen Kindergarten zu bauen. Das Gebäude „Krone“ wurde 1974/1975 von der politischen Gemeinde an Privat verkauft.

Auf der linken Seite kommt ein paar Schritte weiter das Gebäude Kirchplatz 5, in welchem früher das Gasthaus „Zum goldenen Hirsch“ war. Hans (Johann Adam) Bertsch und seine Frau Rosa geb. Herzog waren die Besitzer. Sie haben sich mit kalten und warmen Speisen zu jeder Tageszeit empfohlen. Sie führten Bruchsaler „Denner“ Bier und Weine der Winzergenossenschaft Wiesloch. Das Gasthaus war seit seiner Wiedergründung 1946 das Probe- und Stammlokal des Gesangvereins 1876 Weiher. Im Obergeschoss war ein großer Saal, der Theateraufführungen, Tanz und sonstigen Veranstaltungen diente. Hans Bertsch schlachtete und verwurschtelte Rinder, Kälber und Schweine und führte einen Metzgerladen.

Auf der rechten Seite kam das Kolonialwarengeschäft Anna Bellm, Haus Nr. 102, heute Kirchplatz 14. Sie führte für ihre Kunden „ff-Weine, Kolonial- und Kurzwaren sowie Spirituosen“.

Etwas weiter auf der rechten Seite kam die Malerwerkstatt Ludwig Barth. Heute steht dort die neuerbaute Arztpraxis Niederbühl/Lutz, Kirchplatz 16.

Auf der linken Seite neben dem „Zum goldenen Hirsch“ war das Friseurgeschäft Gregor und Rosa Eiser. Sie führten in ihrem Friseurladen auch Parfümerie-, Toiletten- und Kosmetikartikel. Gregor Eiser empfahl sich als „Fachgeschäft für das Haar im Pflegen, Blondieren, für Dauerwellen und Lockwell“.

Gleich weiter auf der linken Seite kam die Brot- und Feinbäckerei Rudolf und Elisabeth (Liesel) Herzog. Es wurden in ihrer Bäckerei „Qualitätserzeugnisse, Back- und Konditoreiwaren, Teigwaren sowie Rauchwaren“ angeboten. Man konnte zu festgelegten Zeiten auch Brot und Kuchen zum Backen bringen.

Die Gebäude Eiser und Herzog wurden im Zuge der Ortskernsanierung 1979/80 abgerissen und heute führt die neuverlegte Hauptstraße an dieser Stelle durch. Auch das Gebäude neben der Bäckerei Herzog, nämlich das frühere Gasthaus „Löwen“, fiel ebenso der Sanierung zum Opfer. (Das Bild rechts zeigt von links nach rechts das Geschäft Gregor Eiser, die Bäckerei Rudolf Herzog, teils verdeckt das Dach vom früheren Gasthaus Löwen und das Eckhaus Gisy).

Auf der rechten Seite stand das Haus, in welcher die Post ihre Niederlassung hatte und von Josef Becker („Post-Seppl“) geführt wurde. Das alte Posthaus wurde abgerissen und an dessen Stelle beginnt die „Alte Poststraße“, die in Richtung „Tennis Center Gärtner“ führt.
Auf der linken Seite stand das Eckhaus „Gisy“, welches ebenfalls der neuen Hauptstraße weichen musste.

Danach auf der rechten Seite, nach der alten Poststraße, ein Fachwerkhaus mit seinen kleinen Vordächern des Martin Krämer. (Das Bild unten zeigt die Hauptstraße mit dem Fachwerkhaus Krämer). Dieses wurde 1976 abgerissen. Heute steht hier ein neues Haus, Hauptstraße 108. Im alten Hof des damaligen Fachwerkhauses wurden Hühnerfutter, Kunstdünger und andere landwirtschaftliche Produkte bis in die 1960er Jahre verkauft. Es war damals eine Niederlassung der Firma Kramer, Langenbrücken.

Ein paar Schritte weiter steht auf der linken Seite das Schuhhaus Holzer, Haus Nr. 101. Das alte Haus wurde im Laufe der Zeit mehrfach umgebaut und modernisiert. Der frühere Inhaber, Alfons Holzer, erhielt 1948 von der US-Militärregierung in Bruchsal die Konzession zur Führung des Geschäftes, welches bis dahin von seinem Vater Karl Friedrich Holzer weiter unten in der Hauptstraße Nr. 142 geführt wurde. Ab 1954 war das Schuhgeschäft in der Hauptstraße 101. Es wurde eine reichhaltige Auswahl von Schuhen aller Art angeboten.

Gegenüber auf der rechten Seite wohnte im Haus Nr. 110, welches inzwischen abgerissen wurde, der Polizeidiener (Ortsbüttel) Richard Gärtner. Er war bis 1948 im Dienst der Gemeinde und war ein angesehener Mann. Auch war er nach Angaben von Zeitzeugen im Umgang mit den zwölf gefangenen französischen Soldaten in Weiher, die ihm als Wachmann im zweiten Weltkrieg anvertraut waren, respektvoll und menschlich.

Auf der rechten Seite, gleich daneben, steht das Haus Nr. 112 des Lokführers Karl Zink. Er hatte das erste Auto in Weiher.

Ein Stück weiter, auf der linken Seite, steht das Haus Nr. 111. Darin wohnte der Feldschütz Anton Barth.

Ein paar Häuser weiter kommt auf der linken Seite das Haus Nr. 115. Hier wohnte der 1945 von der französischen Besatzungsmacht als Bürgermeister eingesetzte Hermann Lang, der 1947 durch Wahl bestätigt und wiedergewählt wurde. Er verstarb 1955 in Weiher.

Einige Häuser weiter steht auf der rechten Seite das Haus Nr. 130 des Wagnermeisters Josef Bellm („Bellmer-Seppl“). Er reparierte Teile von Fuhrwerken und fertigte neue Wagenräder und anderes aus Holz an. Nebenbei betätigte er sich in Langenbrücken bei einem Unternehmer als Jagdgehilfe.

Danach kommt etwas weiter auf der rechten Seite das Haus Nr. 138 des Willi Herzog. Willi Herzog empfahl seinen „Gartenbau- und Bindereibetrieb“ den Weiherern.

Danach auf der rechten Seite die Schuhmacherei im Haus Nr. 142 des Alfons Holzer und seinem Vater Karl Friedrich, die bis 1954 dort die Schuhmacherei und einen Schuhhandel betrieben haben.

Als nächstes Haus auf der rechten Seite kam das Geschäft des Polster- und Tapeziermeisters Otto Schäfer mit der Nr. 144. Das Geschäft war seit 1956 im Unterdorf und es wurden Polstermöbel, Matratzen, Lederwaren und anderes angeboten.

Danach kam das Haus Nr. 146a auf der rechten Seite von Hermann und Luzia Neuthard, welche hinter ihrem Haus die Dreschmaschine von Weiher betrieben haben. Heute ist es das Haus Kastanienweg Nr. 2. Der Dreschbetrieb wurde Ende der 1950er Jahren durch den vermehrten Einsatz von Mähdreschern eingestellt.

Das Bild rechts zeigt das Kreuz vor dem Haus Bellm, welches durch den Bau des Kastanienweges an die Ostseite des Fußgängerüberweges versetzt wurde.

Bei der Einmündung der Ritter- in die Hauptstraße steht das Haus Ritterstraße Nr. 35. Darin führte Günter Herzog einen Drogeriemarkt. Er bot als Fachgeschäft „..Kindernähr- und Pflegemittel, Mittel zur Schädlingsbekämpfung, Zahn- und Körperpflegemittel, Weine und Spirituosen“ an. Im Hinterhaus war die Wäscherei Bader.
Etwas weiter kommt auf der rechten Seite das Haus Nr. 150a. An dieser Stelle war der alte Festplatz. Nachdem der alte Festplatz aufgegeben wurde, hat man 1956 das heutige Haus Nr. 150a auf das alte Festplatzgelände gebaut.

Weiter auf der linken Seite das Haus Nr. 139. Darin war der Betrieb des Zementeurs Leopold Meister, der besonders für die Fertigung und das Setzen von Grabsteinen gefordert war.

Etwas weiter auf der rechten Seite steht das Haus Nr. 162. Hier hatte der Bus-, Fuhr- und Taxiunternehmer Karl Holzer seinen Fuhrpark und wohnte auch darin. 1945 nahm ihm die französische Besatzung seinen Bus gewaltsam ab. Er erhielt dafür keinerlei Entschädigung was ihn sehr belastete und finanziell zu schaffen machte.

Im Haus gegenüber auf der linken Seite, im Haus Nr. 155, wurden Schafe gehalten. Die Schafe wurden von dem geistig behinderten Menschen, Karl Kirstein, mit Freude und Stolz auf die Weiden gebracht und gehütet.

Daneben auf der linken Seite steht das Haus Nr. 157 mit einer Statue des Heiligen Antonius. (Bild rechts zeigt den Heiligen Antonius mit Jesuskind) Diese Figur wurde vermutlich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts von einem unbekannten Bildhauer aus Odenheimer Sandstein geschaffen und im Laufe der Zeit mehrmals restauriert.

Nach Ende der Wohnbebauung auf der rechten Seite, parallel zur Hauptstraße, war der alte Sportplatz. Der 1945 neu gegründete FC Weiher konnte 1952/1953 auf dem inzwischen senkrecht zur Straße verlaufenden und angelegten Rasenplatz erstmals seinen Aufstieg in die A-Klasse feiern.

Einige Meter weiter war auf der rechten Seite, neben der Hauptstraße, der alte Schuttplatz von der Gemeinde Weiher. Auf diesem wurde Abfall jeglicher Art abgeladen. Heute steht dort ein Wäldchen und der Weiherer Vogelverein hat am Rande des Wäldchens beim FC Kegelcenter seine Unterkunft.“

 

Quellenangaben:

 

Festschrift des Männergesangvereins 1876 Weiher zum 80jährigen Stiftungsfest 1956. Festschrift 100 Jahre Männergesangverein 1876 e.V. Weiher, 1976. „Geschichte des Dorfes und der Gemeinde Weiher am Bruhrain“, Dr. Günther Haselier (1962). Die Information zur Statue des Heiligen Antonius wurde von Frau Ute Brunner, Weiher, zur Verfügung gestellt.

Anmerkung des Verfassers:

 

Zu den in den 1950er Jahren in der Hauptstraße relativ vielen Geschäften ist anzumerken, dass die Währungsreform von 1948, womit die Reichsmark von der neuen Deutschen Mark abgelöst wurde, auch in Weiher erkennen ließ, dass man mit der DM wieder alles kaufen konnte. Die Leute hatten zu Beginn der Währungsreform nur 40 DM Kopfgeld zur Verfügung. Man war bestrebt, auf vielerlei Arten, die Deutsche Mark in den eigenen Geldbeutel zu bekommen – auch durch Verkauf und Handel. Zur Berufstätigkeit betrieben zudem viele Leute eine Landwirtschaft als Nebenerwerb.

Dank des Verfassers:

 

Ein Dankeschön an alle, die mit gutem Willen, mit Rat und historischen Hinweisen bei der Erarbeitung der Historie von der Weiherer Hauptstraße in den 1950er Jahren mitgewirkt haben.

 

Vor allem vielen Dank für die Unterstützung auch durch unsere Ortsteilvertreterin für Weiher im Heimatverein Ubstadt-Weiher, Frau Ursula Hohl, die auch Ideengeberin für die historische Aufarbeitung der Weiherer Hauptstraße war.

Karl Simon, Weiher im Februar 2017

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