Heute können wir ein weiteres ehemaliges Geschäft im Ortsteil Weiher vorstellen. Unser Vorstandsmitglied Beate Harder hat in vielen Gesprächen Informationen und Fotos für den nachstehenden Bericht gesammelt. Wir danken ihr, dass sie in zeitaufwändiger Arbeit, die Erinnerungen aufgeschrieben und dadurch für die nachfolgenden Generationen erhalten hat. Wie immer werden unsere Berichte auf unserer Homepage eingestellt. Sie finden diese unter der Rubrik „Historisches“ unter „Handel und Handwerk“.

 
Renn mol zu der Josefine niwwer un hol a Gugg Salz…

So oder ähnlich klang es in Weiher bis in die Mitte der 70er Jahre, wenn irgendetwas im Haushalt fehlte. Zu Zeiten, als der wöchentliche Großeinkauf noch in weiter Ferne lag, erwarb die Hausfrau einfach genau das, was gerade ausgegangen war oder in den nächsten Tagen auszugehen drohte.

Laden von Josefine
Laden von Josefine

Das Kolonialwarengeschäft in der Hauptstraße 87 (s. Foto rechts) Ende des 19. Jh. von Josefine Etzkorn eröffnet und von der Schwester Elisabeth und der Ehefrau des Neffen Emma weitergeführt, wollen wir heute stellvertretend für viele Weiherer Klein- und Kleinstgeschäfte, heute auch liebevoll „Tante-Emma-Laden“ genannt, vorstellen.

Das Angebot, auf gerade mal 20 – 25 qm, umfasste von A wie Ata bis Z wie Zuckerstangen alles was in Haus, Küche, im Hof und zur Ausübung des Glaubens benötigt wurde. Zucker und Salz aus dem offenen Sack, abgepackt in „Spitzgugga“, Hering im Fass, Seife und Waschpulver ebenfalls aus dem offenen Fass, Essig zum Abfüllen in die mitgebrachte Flasche, Wolle und Nähzubehör und sogar Munition konnte man hier erstehen. Die Kinder staunten vor den großen Gläsern mit Bärerdreck, Zuckerstangen und „Gutselen“.

Hauptstr. 30er Jahre
Hauptstr. 30er Jahre

Bei Josefine (s. Foto links) bekam man auch alles für die kirchlichen Feiertage und Angelegenheiten, Kerzen, Rosenkränze, Kränzchen und Kerzenschmuck für den Weißen Sonntag, Kreuze und Kerzenleuchter. Auch die Utensilien zum Lebensende erhielt man hier, Verseh-Garnituren mit Kreuz, Kerzen, Weihwasserkessel und 2 Teller für Watte und Salz für das Ghrisam hatte Josefine vorrätig.

Zeitzeugen beschreiben Josefine und später auch ihre Nachfolgerinnen als unglaublich organisierte Frauen, trotz des riesigen Warensortiments wussten sie stets genau wo etwas gelagert und ob es vorrätig war. Kindheitserinnerungen wurden wieder wach: der mit Spucke angefeuchtete Tintenstift, die riesigen Gutselgläser, der Geruch der Heringe im Fass, und das unüberschaubar große Sortiment, wo man alles bekam was nur möglich war. Geöffnet hatte das Geschäft von 8 Uhr bis 18 Uhr, selbst in der Mittagszeit konnte man schnell ein Schüsselchen Öl holen, wenn gerade Bedarf war. Auch nach offiziellem Geschäftsschluss war es üblich, dass Kunden noch am Fenster klopften und das Begehrte erhielten.

Viele Hausfrauen mussten den kompletten Einkauf über den „Eier- und Milchpfennig“ (Einnahmen aus dem privaten Verkauf von Eiern und Milch) finanzieren. Wenn diese Münzen, gesammelt in einer alten Kaffeetasse oder Dose bereits vor der Zeit ausgingen, konnte bei Josefine auch angeschrieben werden. Am Zahltag des Mannes oder wenn ein Stück Vieh verkauft wurde, konnten dann diese Schulden wieder beglichen werden.

Obwohl sich Josefine Etzkorn und ihre Nachfolgerinnen meist aus Tratsch und Klatsch heraushielten, war ihr Geschäft auch ein Umschlagplatz für Neuigkeiten aller Art, sozusagen einem analogen Vorläufer von Facebook und Co. Es ersetzte das Mitteilungsblatt, die Klatschspalten der Regenbogenpresse und die Todesanzeigen in den Tageszeitungen. Hier erfuhr man „Wer mit wem“, wo Nachwuchs unterwegs war, wer krank war.

Josefine Etzkorn geb. 1868, die unverheiratete Tochter des August Etzkorn und der Bernhardine geb. Wagner führte das Kolonialwarengeschäft bis sie aus Krankheitsgründen dazu nicht mehr in der Lage war. Ihre Schwester Elisabetha Etzkorn verh. Brenner „Elis“ genannt, in deren Haushalt Josefine auch wohnte, führte das Geschäft bereits während Josefines Krankheit und dann nach ihrem Tod im Jahr 1934 weiter. Josefine blieb weiterhin als Name des Ladens erhalten.

Emma Brenner
Emma Brenner

Das Ehepaar Elisabetha und Johannes Brenner hatten 7 Kinder, der Sohn Julius und seine Frau Emma geb. Dammert (s. Foto rechts) übernahmen nach dem Tod der Mutter 1953 das Geschäft. In den späten 60er Jahren wurde das Geschäft immer spärlicher, die Eröffnung größerer Supermärkte in der Gegend führte zu spürbaren Umsatzeinbußen. Aufgrund der geplanten Ortskernsanierung wurden zudem die Gebäude von der Gemeinde aufgekauft um den Kirchplatz in seine heutige Form umzugestalten.

Damit endete ein weiteres Kapitel der dörflichen Einkaufsmöglichkeiten mit einem Ort wo man sich traf und auch Neuigkeiten ausgetauscht werden konnten. Vielen von uns fehlt diese Atmosphäre, die kein Supermarkt und kein Kaufhaus bieten können.

Wir bedanken uns herzlich bei Familie Brenner und vielen anderen Menschen, deren Erinnerungen wir hier aufgeschrieben und bei allen, die uns mit Fotos unterstützt haben.

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