Von Michael Staudte

Es sind nun bald 290 Jahre her, seit der Bruchsaler Architekt und Baumeister Johann Georg Stahl nach vierjähriger Bauzeit den barocken Kirchenbau beendete. Er wurde auf dem gleichen Platz, wie die alte Kirche, gebaut. Der heutige Kirchturm steht seit 1733 auf dem Fundament des alten Turms.

1683 wird von einer Glocke berichtet. Doch woher diese kam und was mit ihr geschah ist unbekannt?

Bis 1759 ist durch Kriegseinwirkung und zum Teil schlecht geführte Gemeinderechnung, was heute nicht mehr vorkommen dürfte, nicht bekannt, woher die Glocken kamen und was mit ihnen geschah. Es ist auch unsicher, ob es bei der Einweihung der Kirche, 1733, durch Kardinalfürstbischof Damian Hugo von Schönborn auch ein neues Geläut gab.

Jetzt kommen wir zu der Zeit, in der die Geschichte der Glocken, bzw. die Gießereien bekannt sind.

Der Auftrag, zwei neue Glocken zu gießen, wurde 1759, von Pfarrer Lehne, an den Mannheimer Stück- und Glockengießer Michael Steiger gegeben. Eine kleine Bemerkung zu dem Wort Stückgießer. Stückgießer waren Kanonengießer. Damals wurden die Kanonen noch gegossen und dies bis ins 19. Jahrhundert.

Sie wurden am 06. Juni 1759 von Fürstbischof Franz Christoph von Hutten geweiht.

Unter Pfarrer Philipp Nereus Hönig wurden sie am 17. Mai 1831 aus dem Glockenstuhl genommen. Sie waren gesprungen und schepperten beim Läuten. In Rastatt wurden sie von Ignaz Reinburg umgegossen und am 19. Juli 1831 durch den Geistlichen Rat Dekan und Stadtpfarrer Keck aus Bruchsal geweiht. Durch den Umguss hatten die Glocken an Gewicht verloren. Die größere wog noch 1.064 Pfund mit der Aufschrift „Gegossen von Ignaz Reinburg in Rastatt für die Kirche Ubstadt, 1831 – Gott segne die Bewohner Ubstadts, allwo wir unsere Töne zu Ehren des Allschöpfers hören lassen“.

Die kleinere Glocke wog 630 Pfund und trug keine Aufschrift.

Der Umguss kostete laut Rechnung 391 Gulden 4 Kreuzer. Das entspricht einem Gegenwert von 7.312,95€, bei einem Umrechnungswert von 1 fl = 18,70 € (2016).

Die Gemeinde Ubstadt ersetzte 1877 diese Glocken durch ein neues Dreiergeläut aus der Glockengießerei Georg Hamm in Kaiserslautern. Die größte Glocke wog 2.048 Pfund. Sie trug die Abbildung der Muttergottes und die Aufschrift „Heilige Maria, bitt für uns“. Außerdem war ein Kruzifix mit den Worten „Omnia ad majorem Dei gloriam“ (Alles zur größeren Ehre Gottes) eingegossen. Die zweite Glocke wog 1053 Pfund, zeigte das Bild des hl. Andreas mit der Aufschrift „Heiliger Kirchenpatron sei unser Schutz“, dazu in lateinischer Sprache „Sursum corda“ (Empor die Herzen). Die kleinste der drei Glocken hatte ein Gewicht von 621,5 Pfund. Es war die Sterbeglocke und trug das Bild des hl. Sebastian und folgende Aufschrift „Treu bis in den Tod“ und in Latein „Dona eis requiem aeternam, Domine“ (Herr, gib ihnen die ewige Ruhe). alle drei Glocken trugen das Wappen Ubstadts, darunter den Vermerk „Ubstadt 1877 gegossen von G. Hamm in Kaiserslautern“.

Das ergibt ein Gesamtgewicht von 3.722,5 Pfund. Das Pfund Glockengut kostete 1,30 RM. Die alten Glocken brachten ein Gewicht von 1.648 Pfund auf die Waage. Der Glockengießer Hamm zahlte 1 RM pro Pfund. Für die Beschläge (Aufhängung etc. der Glocken) forderte der Glockengießer 302,40 RM, die Gesamtkosten beliefen sich auf 5.141,65 RM. Abzüglich folgender Beträge: 1.648 RM aus dem Erlös der alten Glocken, Spenden von Privatpersonen 1.783,29 RM, insgesamt 3.431,29 RM. Verblieb ein Rest von 1.710,36 RM. Den bezahlte die zur Glockenbeschaffung verpflichtete Gemeinde Ubstadt.

Die Glockenweihe wurde am 16. Dezember 1877 durch Dekan Kloos gestaltet. Zu dieser Feier verfasste ein unbekannter Sänger ein vierstrophiges Lied, dazu noch ein sechsstrophiges Memorare.

Anfang 1917 musste das Pfarramt die Marien- und die St. Sebastiansglocke, also die zwei größten Kirchenglocken, die Totenglocke blieb auf dem Kirchturm. Auch die Friedhofsglocke zur „Weiterverarbeitung“ zu Kriegsmaterial entnommen und wurden somit Opfer des Ersten Weltkriegs.

Hier muss man eine Vereinbarung der politischen und der kirchlichen Gemeinde in Erinnerung bringen. Am 22. Januar 1904 trat die politische Gemeinde das Eigentumsrecht über die Kirche an den Kirchenfond ab. Bis zu diesem Tag oblag auch der politischen Gemeinde die Beschaffung der Glocken

und somit auch das Recht über die Glocken zu verfügen. Von nun an war es der Kirchenfond der über den Verbleib der Glocken verfügte.

Nach dem Ersten Weltkrieg war Bronze teuer und daher für eine Gemeinde wie Ubstadt unerschwinglich, weshalb man sich mit Eisenglocken „begnügen“ musste. Daher ließ Pfarrer und Dekan Aichele zwei Stahlglocken vom Bochumer Verein für Gussstahl gießen. Sie wurden am Samstag, den 09. Oktober 1921 morgens geliefert und bei der Kühbrücke abgestellt. Hier blieben sie bis am darauf folgenden Sonntagnachmittag stehen. Durch Pater Sigismund aus Waghäusel, der den Festgottesdienst hielt, wurden sie geweiht. Die Kirchweihvesper wurde im Freien gesungen. In den kommenden Tagen wurden die Glocken dann in den Glockenstuhl gezogen.

Die St. Maria steht heute in einem Ubstadter Garten. Sie trägt die Aufschrift „Maria bitt für uns“, auf der Rückseite Dekan R. Aichele und im oberen Kranz der Stahlglocke steht die Firma, die sie gegossen hat und das Jahr.

Während des Zweiten Weltkriegs wurden die kleine Bronzeglocke der Andreaskirche und die neu beschaffte Friedhofsglocke beschlagnahmt. Die Bronze diente wie im Ersten Weltkrieg wiederum zur Herstellung von Waffen.

Das Bemühen des emeritierten Professors Oskar Harlacher und Reichsbahninspektors i. R. Eduard Deutsch hatte Erfolg. Am 01. Januar 1954 konnte Pfarrer i. R. Ludwig Eisele die neue Friedhofsglocke einweihen.

Im April 1959, vierzehn Jahre nach Kriegsende, war die Gemeinde bzw. die katholischen Einwohner wieder so reich, dass sie sich ein neues Geläut für die Kirche leisten konnte. Den Auftrag dafür erhielt die Firma Schilling in Heidelberg. Sie sollte fünf Bronzeglocken gießen. Unter Anwesenheit des Pfarrers, Mitgliedern des Stiftungs- und Gemeinderates und einiger Pfarrratsangehöriger wurden am Freitag, den 03. Juli 1959, um 15 Uhr in Heidelberg die Glocken gegossen.

So hieß es dann in Heidelberg, der eine oder andere kann sicher mit mir die Zeilen aus Schillers Gedicht „Das Lied von der Glocke“ zitieren:

„Fest gemauert in der Erden
steht die Form aus Lehm gebrannt.
Heute soll die Glocke werden!
Frisch Gesellen seid zur Hand!
Von der Stirne heiß
rinnen muss der Schweiß
soll das Werk den Meister loben,
doch der Segenkommt von oben.“

 

Der Erzbischöfliche Glockeninspektor Prof. Dr. Otto Schäfer aus Baden-Baden überprüfte den kirchlichen Bestimmungen gemäß die Güte des Gusses und konnte der Pfarrgemeinde das Gelingen des Gusses und ganz besonders die Stimmreinheit und melodische Klangfülle des neuen Geläuts bestätigen.

Am 19. August wurden die Glocken von dem Fuhrunternehmen Alois Zimmermann unter Begleitung des Fotografen Karl Beyerle in Heidelberg abgeholt. Sie wurden erst einmal an der Oberen Straße abgestellt. 19 Uhr kamen Pfarrer Eisele und Bürgermeister Hagenmeier zum Empfang der Glocken. Es war fast der gesamte Ort anwesend, um die Glocken zu sehen, die man dann bei der Firma Zimmermann in der Halle unterstellte. Zimmermeister Luft hatte inzwischen ein Gerüst aufgebaut, an das die Glocken bis zur Segnung gehängt wurden. Gärtnermeister Julius Beyerle und Karl Beyerle schmückten nicht nur die Glocken, sondern auch den Kircheninnenraum.

Am Sonntag, den 23. August 1959, um 14 Uhr wurden die fünf Glocken von Hochwürden Herrn Bischof Augustin Olbert geweiht.

Das neue Geläut aus fünf Bronzeglocken hat ein Gesamtgewicht von 4.000 kg.

Die St. Michael als größte Glocke mit dem Ton des eingestrichenen Des (des´), wiegt 1.660 kg, trägt die Aufschrift: „St. Michael, mach uns im Glauben stark und rein, lass Frieden stets im Lande sein; zum Gedächtnis der gefallenen, verstorbenen und vermissten Krieger. Die Gemeinde.“

Die St. Maria mit dem Ton des eingestrichenen F (f´), wiegt 900 kg und trägt folgende Aufschrift: „Maria mit dem Kinde lieb, uns allen deinen Segen gib.“

Die dritte Glocke, mit dem eingestrichenen As (as´), ist St. Andreas, dem Patron der Ubstadter Pfarrkirche, geweiht. Sie wiegt 600 kg und trägt die Aufschrift: „Hilf uns in Jesu Namen heimwärts, woher wir kamen, Heiliger Andreas.“

Die vierte Glocke, mit dem Ton des eingestrichenen Be (be´), dem Heiligen Sebastian geweiht, wiegt 480 kg und trägt ein Gebet als Aufschrift: „Zu Schmerz und Qual allzeit bereit, in Krankheit, Not steh´ uns zur Seit.“

Die fünfte und kleinste Glocke ist den Schutzengeln geweiht und ist mit dem zweigestrichenen C (Ce´) belegt. Sie hat ein Gewicht von 360 kg. Die Aufschrift lautet: „Seid Wahrer unserer Jugend und Reinheit, Glaube und Tugend.“

Die Andreaskiche hat als Geläut fünf Glocken. Aus diesem Grund musste der gesamte Glockenstuhl und die Glockenstube erneuert werden. Daher konnte man erst am 16. September 1959 den neuen Glockenstuhl mit den Glocken belegen und am 18. September nachmittags hörte man zum erstenmal die neuen Glocken über Ubstadt.

Die Kosten des Geläuts. Die Firma Schilling bekam für ein Kilogramm Glockengut 1,75 DM. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 38.647,47 DM. Durch Spenden und Sammlungen hatte die kirchliche Gemeinde diesen Betrag bis zum Tag auch beinahe zusammenbekommen.

Welche Glocke oder Glocken läuten wann?

Montag- bis Sonntagmorgen 07:01 Uhr läutet die drittgrößte Glocke, St. Andreas, die Patronatsglocke von Ubstadt, vier Minuten.

Montag- bis Sonntagmittag 12:01 Uhr ebenfalls vier Minuten die zweitgrößte Glocke, St. Maria.

Freitags um 11:01 Uhr läuten die drei Glocken St. Andreas, St. Sebastian und die den Schutzengeln geweihte vier Minuten.

19:01 Uhr sind vom Montag bis Sonntag jeweils zwei Minuten die St. Andreas und die St. Sebastian zu hören.

Samstags 17:01 Uhr läuten die St. Maria, St. Andreas, St. Sebastian und die den Schutzengeln geweihte Glocken vier Minuten.

Das Vorläuten zur Messe übernimmt für vier Minuten entweder die St. Andreas oder die St. Maria.

Beim Zusammenläuten vor den Messen ertönen neun Minuten die St. Maria, St. Andreas, St. Sebastian und die den Schutzengeln geweihte Glocken.

Die St. Michael, St. Maria, St. Andreas, St. Sebastian und die den Schutzengeln geweihte Glocke rufen neun Minuten an Hochfesten die Gläubigen zusammen. Die Hochfeste sind: Weihnachten (25.Dezember), Neujahr (01. Januar), Heilige Drei Könige (06. Januar), Verkündigung des Herrn (25. März), Palmsonntag (letzter Sonntag vor Ostern), Ostern, Erstkommunion, Christi Himmelfahrt (vierzig Tage nach Ostern, bzw. zehn Tage vor Pfingsten), Pfingsten, Dreifaltigkeitssonntag (acht Wochen nach Ostern), Heiligstes Herz Jesu (Freitag nach dem zweiten Sonntag nach Pfingsten), Heiliger Josef (Vierter Dienstag nach Trinitatis), Johannes der Täufer (24. Juni), Heiliger Petrus und Paulus (29. Juni), Mariä Aufnahme in den Himmel (15. August), Allerheiligen (01. November), St. Andreas (30. November), Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria (08. Dezember).

Von Karfreitag bis zur Osternacht schweigen alle Glocken, auch der Stundenschlag.

Bei Sterbefällen und Beerdigungen beginnt für zwei Minuten die St. Maria, danach setzen die St. Andreas, St. Sebastian und die den Schutzengeln geweihte Glocke für vier Minuten ein.

Zum Ende noch folgende Besonderheit: Mit dem elektrischen Läutewerk wurde auch eine neue Turmuhr eingebaut. Die politische Gemeinde, die wie bisher für die Turmuhr aufkommt, sie hatte die Spendierhosen an und richtete die bis dahin modernste Turmuhr ein. Es ist eine elektrische, vollautomatische Uhr mit einem Viertel- und Ganzstundenschlag, der in der Erzdiözese Freiburg nur in Ubstadt und in Königshofen a. d. Tauber seit 1979 zu hören ist. Man bezeichnet diesen Schlag als „Kopenhagener Schlag“, der eine Ähnlichkeit mit dem Westminster-Uhrenschlag hat.

 

Quellen
Auszugsweise: „Geschichte der Gemeinde Ubstadt“ nach den Unterlagen von Eduard Deutsch bearbeitet und ergänzt von Gustav Schulz;
„Das große Buch der Heiligen“, Südwest Verlag München 9. Auflage 1986.

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