Von Theodor Stengel

Ein alle faszinierendes Kleinod von 1520, dessen Anblick heute ein halbes Jahrtausend später immer noch Begeisterung hervorruft, ist der Ölberg bei der alten St. Martinskirche in Zeutern.

Postkarte Ölberg Zeutern
Foto: Archiv Heimatverein Ubstadt-Weiher e.V.

Als spätmittelalterliches Zeitfenster in den Garten Gethsemane könnte man den Zeuterner Ölberg (s. Foto) bezeichnen und irgendwie passt dies auch sehr gut zu Zeutern, denn das Wort Gethsemane wird von manchen nicht nur mit Ölpresse, sondern auch mit Weinpresse übersetzt.

Der Überlieferung nach sollen es Steinmetze aus dem Odenwald gewesen sein, die dieses außergewöhnliche und bestens erhaltene Werk schufen.

Zur Zeit der Erbauung des Denkmals im Jahr 1520 wurde das Fürstbistum Speyer von Bischof Georg von der Pfalz, also einem Wittelsbacher regiert. Dieser bemühte sich seinerseits dem aufkeimenden Protestantismus mit Verboten zu begegnen und dem Verfall des religiösen Lebens entgegenzuwirken. Denn drei Jahre zuvor hatte Martin Luther zu Wittenberg die 95 Thesen mit lauten Hammerschlägen, welche durch ganz Europa hallten, angeschlagen. Fünf Jahre nach Entstehung des Denkmals tobte bereits der Bauernkrieg. Da waren schon einige Anhänger von Jos Fritz aus Untergrombach hingerichtet worden.

Es waren also höchst unruhige Zeiten als der Ölberg in Zeutern entstand.

Da damals ein Großteil der Bevölkerung des Lesens und Schreibens noch nicht mächtig war, waren bildliche Darstellungen einfach die beste Möglichkeit, um wie beim Ölberg das Leben und Leiden unseres Herrn Jesus Christus aufzuzeigen und verständlich zu machen.

Alter Friedhof mit Ölberg
Foto: Harald Dorwarth

Deshalb waren Ölberge an Kirchen im ausgehenden Mittelalter eine verbreitete Erscheinung (s. Foto).

Am 13. Juni 1286 erhielt Zeutern von Kaiser Rudolf von Habsburg die Stadtrechte. Bereits zur Zeit Karl des Großen befand sich an der Stelle der alten St. Martinskirche eine romanische Kirche, die man abriss, um 1409 eine gotische Kirche zu bauen von der heute noch der Kirchturm zeugt. Nach Erhalt der Stadtrechte umgab man die Kirche mit einer zwei Meter dicken Schildmauer auf Grund der strategisch vorteilhaften Lage.

Dies war zunächst sicher günstiger als gleich den ganzen Ort zu befestigen.

Ca. 1769 wurde das gotische Kirchenschiff abgerissen und in erweiterter Form in barockem Stiel neu aufgebaut. Dabei riss man auch die Schildmauer ein und dieser uns erhaltene Ölberg ist das einzige Stück Wehrmauer, das von dieser Verteidigungsanlage erhalten geblieben ist.

Solche Wehrkirchen stehen heute noch beispielsweise in Erlenbach/Südpfalz oder in Hunawihr/Elsass.

Ölberg
Foto: Harald Dorwarth

Im Ölberg in Zeutern werden zwei Szenen des Leidens Christi dargestellt, rechts die Festnahme Jesu mit Judas und den Soldaten. Im Vordergrund die schlafenden Jünger Petrus Jakobus und Johannes (s. Foto).

Links sehen wir den vor einem Abgrund knienden Jesus mit Schweißflecken auf dem Gewand zu einem Engel schauend und betend: Herr lass diesen Kelch an mir vorübergehen. Dieses alles vor der Kulisse der Heiligen Stadt Jerusalem.

Im Abgrund öffnet sich ein Felsspalt, in dem sich eine kleine Höhle anschließt. Zum Entsetzen unserer Eltern und Lehrer sind wir hier als Kinder oft hineingekrochen. Darin befand sich eine Öffnung nach Westen, die sicher früher als Schießscharte diente, jedoch bei der letzten Renovierung zugemauert wurde.

Ältere Zeuterner behaupteten immer wieder, dass man vor der Renovierung 1897 vom Ölberg aus auch in den Kirchenspeicher gelangen konnte, was sich heute aber nicht mehr nachprüfen lässt.

Am vorderen Rand stellt ein in Stein gehauenes Weidengeflecht die Begrenzung des Gartens Gethsemane dar. Dazwischen sind höchst naturalistische Tiere ausgemeißelt, wie Hund, Bär, Schlange, Affe, Schnecke, Wolf mit Lamm, Skorpion, Hase, Hirsch, geflügelter Drache, Storch mit Frosch. Im Stadttor sieht man einen Mann der seinen Esel zur Mühle treibt.

Das Ganze wird von einem Kreuzrippengewölbe abgedeckt.

Unterhalb der Darstellung befindet sich ein nach Osten offenes Gewölbe. Wenn in früheren Zeiten der Boden so gefroren war, dass bei einem Sterbefall kein Grab geschaufelt werden konnte, so war es möglich den Toten in geschlossenem Sarg vorübergehend im offenen Gewölbe aufzubahren.

Im Münster zu Straßburg befindet sich übrigens ein vergleichbarer Ölberg auch mit der Stadt Jerusalem im Hintergrund. Die Besonderheit dort ist, dass die dargestellten Häuser Schlösser und Burgen sich tatsächlich im Elsass befanden oder heute noch existent sind. Die Künstler, die den Zeuterner Ölberg geschaffen haben, wussten bereits 1520 wie z.B. ein Affe aussieht, folglich hätten sie auch gewusst wie orientalische Gebäude aussehen. Stattdessen machen die Gebäude auf mich doch einen sehr mittelalterlichen deutschen Eindruck. Es wäre sicherlich sehr interessant herauszufinden ob es sich vielleicht um einst tatsächlich existente Gebäude im Fürstbistum Speyer handelt.

Von Ölbergen wird zudem berichtet, dass man hauptsächlich abends an Gründonnerstagen mit vielen Lichtern Andachten hielt.

Ich hoffe, dass dieses großartige Werk in Zeutern zur Freude und Erbauung für noch viele Generationen erhalten bleibt.

Zeutern im März 2020

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