Nur wenige wissen noch, wie es früher war, als es in Stettfeld noch keine Leichenhalle gab. Unsere Vorsitzende Ursula Hohl bat daher unser Mitglied Maria Staudt aus Stettfeld, hierzu ihre Erinnerungen aufzuschreiben. Der Heimatverein dankt seinem Mitglied Maria Staudt für ihren weiteren Bericht, der einen Einblick in die frühere Sterbe- und Begräbniskultur in Stettfeld gibt.


 

 Von Maria Staudt | November 2019 

Hier ihre Erinnerungen:

In der Nachkriegszeit gab es in Stettfeld keine Pflegedienste. War jemand pflegebedürftig, übernahm das die örtliche, katholische Krankenschwester (Nonne) vom Orden der Franziskanerinnen vom Göttlichen Herzen Jesu in Gengenbach ehrenamtlich. Die meisten Familien waren im Vincentius-Verein, für dessen Mitgliedschaft man jährlich einen Betrag von ungefähr 20 DM bezahlte. Wer diesen Betrag nicht aufbringen konnte, wurde trotzdem im Pflegefall versorgt. Diese Schwestern hatten insbesondere mit Sterbenden sehr viel Erfahrung und konnten den Angehörigen ziemlich genau voraussagen, wann sie von ihren Lieben Abschied nehmen müssen. Von da an wurde von den Angehörigen bei dem Sterbenden Tag und Nacht bis zur letzten Stunde abwechselnd Wache gehalten. Diese Stunde konnte von der Schwester meist recht genau vorhergesagt werden, so dass sämtliche nächsten Angehörigen anwesend sein konnten. Ganz sorgfältig wurde von den Angehörigen und auch von der Krankenschwester darauf geachtet, dass der Sterbende die Sterbesakramente erhalten hatte.

Die Leichenschau machte der Schreiner, der später auch den Sarg lieferte, indem er dem Toten einen Spiegel direkt vor den Mund hielt. Wenn dieser nicht beschlagen war, ist man davon ausgegangen, dass der Tod eingetreten war.

Starb jemand in der Nacht, berichtete dies gleich am Morgen danach ein Angehöriger dem Pfarrer, und zwar schon vor der hl. Messe, die um sieben Uhr begann. Dieser verkündete es dann nach der hl. Messe den Kirchenbesuchern, worauf man auch gleich die Sterbegebete sprach und der Messner „Schieding“ läutete. Der Termin für die Beerdigung wurde in der Regel auch schon bekannt gegeben.

Am Läuten konnten die Einwohner erkennen, welchen Geschlechts der Verstorbene war. Zuerst läuteten alle Glocken, danach wurde nur mit einer nachgeläutet. Die große Glocke ließ erkennen, es war ein Mann, läutete die mittlere, eine Frau, und das Läuten der kleinen Glocke bedeutete ein junger Mensch oder ein Kind ist gestorben. Auch heute noch wird so geläutet, mit der einzigen Ausnahme, dass Schieding immer zur gleichen Zeit geläutet wird, nämlich um 11:30 Uhr.

Starb früher jemand am Tag, meldete man es dem Messner. Darauf wurde ebenfalls sofort Schieding geläutet, egal welche Uhrzeit es war. Geläutet wurde, indem man mit den Händen an den Glockenseilen zog, so dass die Glocken zum Schwingen gebracht wurden. Das Läuten war eine beliebte Beschäftigung der Ministranten, bis zu der Zeit als alles elektrifiziert wurde.

Wenn in dieser Zeit ein Kind starb, wurde der kleine Sarg von Kommunionmädchen in weißen Kleidern und mit Kränzchen auf dem Kopf zum Friedhof getragen. Der Kinderleichnam wurde meistens in aller Stille beigesetzt, im Beisein des Pfarrers, der Familie und der nächsten Angehörigen.

Vor der Beerdigung wurde an drei Abenden nacheinander im Haus des Toten der Rosenkranz mit den nächsten Angehörigen und der Nachbarschaft gebetet. Damals hatte nicht jeder ein Wohnzimmer und es ging manchmal sehr eng zu. Der Tote wurde bis zum Begräbnis in seinem Bett im Hause aufgebahrt. Vor der Beerdigung kamen dann der Sarg und auch der Leichenwagen (damals noch kein Kraftfahrzeug) zum Anwesen des Verstorbenen. Jeweils um die zwei vorderen und hinteren Griffe des Leichenwagens wurden weiße Taschentücher geknüpft, die dann die vier Sargträger, von denen auch der Leichenwagen geschoben wurde, behalten durften. In manchen Ortschaften war für die Leichenträger auch Geld mit in die Taschentücher eingeknüpft. In Stettfeld war meistens ein Verwandter damit beauftragt, dies persönlich zu übergeben. Die Sargträger wurden von der Familie unter Verwandten und Bekannten ausgewählt. War aber der Verstorbene Mitglied in einem Verein oder einer Organisation, so war es für seine Kameraden eine Ehre, ihr verstorbenes Mitglied zu Grabe zu tragen.

Der Verstorbene wurde gewaschen und gut gekleidet in den Sarg gelegt sowie mit einer schönen Decke zugedeckt und ringsum mit frischen Blumen geziert. Über die gefalteten Hände wurde sein eigener Rosenkranz geschlungen und der zugenagelte Sarg kam auf den im Hof aufgestellten Leichenwagen.

Vor den Leichenwagen wurde ein kleines Tischlein oder ein Hocker (viereckiger Stuhl ohne Lehne) gestellt, belegt mit einer kleinen weißen Decke (s. Foto). Darauf hinten ein schöner großer Blumenstrauß, davor in der Mitte ein Stehkreuz, rechts und links daneben eine brennende Kerze. Ganz nach vorne stellte man ein Glasschälchen mit Weihwasser und einem Buchsbaum-Zweiglein darin zum Weihwasser geben. Der Blumenstrauß wurde später während der Beerdigung von einem Angehörigen für das Seelenamt zur Kirche gebracht.

Verstorbener im Haus
Verstorbener im Haus. Foto: Archiv Heimatverein Ubstadt-Weiher e.V.

Kamen dann die Gläubigen, die den Verstorbenen zum Friedhof begleiten wollten, so gab jeder vor dem Sarg stehend Weihwasser. Dabei betete man leise für sich „Gott Vater, Gott Sohn und Gott hl. Geist“. Danach machte man das Kreuzzeichen und stand dann noch ein paar Sekunden ehrfurchtsvoll davor, wie es auch heute noch in der Leichenhalle Brauch ist.

Zu gegebener Zeit kamen dann auch der Pfarrer und vier Ministranten, voraus der Fahnenträger und der Kreuzträger, einer mit dem Weihwasserkessel und der vierte mit dem Weihrauchgefäß. Es wurde gebetet, der Pfarrer segnete den Sarg mit dem Toten und der anwesende Kirchenchor sang noch ein Lied. Danach setzte sich der Leichenzug in Richtung Friedhof in Bewegung, wobei der Weg immer über die damalige Hauptstraße führte.

Voraus gingen zwei Ministranten mit Fahne und Kreuz, danach Kinder und Jugendliche, dann der Kirchenchor, anschließend wurde der Leichenwagen geschoben, der inzwischen mit einem Eisengestell versehen war, an dem ringsum die Kränze angehängt waren. Ein Sarggesteck gab es damals noch nicht. Hinter dem Leichenwagen gingendann zwei Ministranten, jeweils mit dem Weihwasserkessel und dem Weihrauchgefäß, danach der Pfarrer. Dahinter die Angehörigen, anschließend nicht anverwandte Männer und zuletzt die nicht anverwandten Frauen.

Auf dem Weg von zu Hause zum Friedhof (s. Foto) wurden dann Litaneien, Fürbitten und auch Gesetze vom Rosenkranz gebetet. Autofahrer, die gerade vorbeifahren wollten, hielten respektvoll mit abgestelltem Motor, um die Trauernden nicht zu stören. Am vorbereiteten Grab angekommen, segnete der Pfarrer dieses und betete für den Toten. Die vier Sargträger ließen mit zwei Seilen vorsichtig den Sarg in die Grabgrube gleiten, der Kirchenchor sang noch ein Lied, auch Nachrufe konnten noch gehalten werden. Die Grabgrube wurde zuvor vom Totengräber in schwerer Knochenarbeit mit Harke, Spaten und Pickel ausgehoben.

Eingangstor zum Stettfelder Friedhof um 1955
Eingangstor zum Stettfelder Friedhof um 1955. Foto: Archiv Heimatverein Ubstadt-Weiher e.V.

Während Peter Weibel, der von 1943 bis 1964 in Stettfeld Pfarrer war, ganz am Ende der Beerdigung sagte „Wir beten jetzt noch ein „Vaterunser“ für das nächst Sterbende“, wobei so mancher dieses für sich selbst gebetet hatte, sagte Pfarrer Alfons Dischinger in Zeutern den schönen Spruch „Wer ist hier arm, wer ist hier reich, im Grabe sind wir alle gleich. Sei gleich entfernt von Stolz und Neid in Hoheit und in Niedrigkeit, wer weiß wie bald auch dich zur Gruft der Herr des Todes ruft. Drum halte dich zu jeder Zeit für einen guten Tod bereit“ (Spruch stammt aus der Erinnerung von Franz Stier, Zeutern).

Danach gingen die Menschen noch einzeln am Grab vorbei, um dem Verstorbenen nochmals die letzte Ehre zu erweisen und gaben von der vorbereiteten Erde oder dem aufgestellten Weihwasser in das Grab. Während man das Kreuzzeichen machte, beteten die meisten: „Herr gib ihm die ewige Ruhe und das ewige Licht leuchte ihm, Herr lass ihn ruhen in Frieden“. Manche, vor allem die Angehörigen, warfen noch ein kleines Sträußchen oder eine Rose in das Grab. Eine Geldgabe von den Verwandten und Bekannten für heilige Messen und Blumenschmuck für das Grab gab es damals noch nicht, manche brachten jedoch Blumen vom eigenen Garten.

Gleich anschließend an die Beerdigung war dann das erste Seelenamt. Das war darum von Vorteil, weil die von weiter entfernt angereisten Angehörigen auch noch an einem Seelenamt teilnehmen konnten. Beim Seelenamt stand im Altarraum bis zur Liturgiereform infolge des 2. Vatikanischen Konzils eine Sarg-Attrappe, die mit einem schwarzen Tuch bedeckt war. Diese nannte man „Tumba“. Den Altar in der Mitte gab es damals noch nicht. Ämter und heilige Messen wurden am Hochaltar immer in Latein zelebriert. Pfarrer und Ministranten sah man nur von hinten. Vor der Attrappe stand der Blumenstrauß, der während der Beerdigung zur Kirche gebracht worden war. Rechts und links davon war auf einem hohen Kerzenständer je eine brennende Kerze. Bei jedem der drei Seelenämter gingen die Gläubigen nochmals auf dem Gang vor dem Altarraum hintereinander an der Sarg-Attrappe vorbei, um den Toten nochmals zu ehren. Bald darauf wurde in der Frühe das zweite und dritte Seelenamt gelesen. Die Trauergesänge wurden vom Kirchenchor in Latein gesungen.

Bevor das Zimmer eines Verstorbenen wieder benutzt wurde, bekam es meist einen neuen Anstrich.

Als später auch in den kleineren Dörfern nach und nach die Leichenhallen gebaut wurden, war das ein großer Fortschritt und für alle eine enorme Erleichterung.

Pfarrer Peter Weibel (s. Foto) kam 1943 nach Stettfeld und war in den schweren Kriegs- und Nachkriegsjahren über zwanzig Jahre ein überaus beliebter und geachteter Seelsorger der Pfarrgemeinde Stettfeld. Ab 1965 verbrachte er seine letzten Jahre in seinem geliebten Geburtsort Reilingen, wo er 1968 im Alter von 73 Jahren starb und beigesetzt wurde. Für seine Verdienste um die Gemeinde, wurde ihm – anlässlich seiner Verabschiedung – die Ehrenbürgerwürde verliehen. Auch wurde im Neubaugebiet „Rosenberg“ in Stettfeld eine Straße nach ihm benannt.

Pfarrer Peter Weibel
Pfarrer Peter Weibel. Foto: Archiv Heimatverein Ubstadt-Weiher e.V.

Ich danke meinen Schulkameraden, dem Ortsteilvertreter von Stettfeld im Heimatverein Ubstadt-Weiher, Herrn Alfons Woll und dem damaligen Oberministranten Reinhold Wolf, der ehemaligen Messnerin Gertrud Grupp, Suse Seiferling und Klara Stehle, der Tochter des Schreinermeisters Anton Stehle, der in dieser Zeit die Leichenschau durchführte, für die sehr guten Recherchen bei Sterbebegleitung und Beerdigung in den 1960er Jahren bei Pfarrer Peter Weibel.

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