Erster „Schmutzicher Dunnerschdag“ in Weiher 1956

1956 im Hirsch, v.re.: Franz Becker, Josef Barth, Richard Herzog (Foto: von Gisela Machauer)

Um den über 30jährigen in Weiher Gelegenheit zu geben, verkleidet ihr Tanzbein zu schwingen, hatte der damalige 1. Vorstand des Musikvereins, Franz Becker, Vorsitzender von 1955 bis 1965, die Idee, in der Fastnachtszeit eine Tanzveranstaltung anzubieten (s. Foto oben). Er legte großen Wert darauf, dass diese Veranstaltung der älteren Generation vorbehalten bleibt, zumal in den beiden Sälen der Gasthäuser „Zum goldenen Hirsch“ und „Zum Badischen Hof“ in Weiher schon zahlreiche Tanzveranstaltungen für das jüngere Publikum stattfanden.

Die Vorstandschaft beschloss daher erstmals eine solche Tanzveranstaltung am „Schmutzicher Dunnerschdag“ im Jahr 1956 im großen Saal im Obergeschoß des Gasthauses „Zum goldenen Hirsch“ in der damaligen Hauptstraße (heute Kirchplatz 5) durchzuführen. Der Eintritt kostete 1,–DM (1976: 5,– DM, 2020: 8,– Euro) und eingelassen wurde nur, wer maskiert war und versicherte, dass er über 30 Jahre alt ist. Es nahmen daher auch solche „Fasernachter“ teil, die schon lange vor dem 1. Weltkrieg geboren waren. Somit durften bei den Musikdarbietungen des Musikvereins ein Rheinländer und die damals schon bekannten “Egerländer-Melodien“ nicht fehlen. 1956 hatte der Musikverein 19 aktive Mitglieder und zu dieser ersten Veranstaltung kamen etwa 30 Fasabutza. Im dritten Veranstaltungsjahr waren es bereits 60 Maskierte, die zu den Schlagern „Berliner Luft“ oder „Der Mond hält seine Wacht“ ihr Tanzbein schwangen. Dirigent war Eugen Wiedemann aus Forst.

Untere Bar in der Turnhalle Weiher im Jahr 2004
Untere Bar in der Turnhalle Weiher im Jahr 2004 (Foto: Erich Becker)
Vier Jahre später fand der Schmutzige Donnerstag, auch „Ball der älteren Jugend“ genannt, erstmals in der 1960 neuerbauten Turnhalle in Weiher statt. An den legendären zwei Bartheken (s. Foto) waren „Blutgeschwür“ (Eierlikör im Schokowaffelbecher mit einem Schuß Kirschlikör in der Mitte), „Korea“ (je zur Hälfte Rotwein und Cola), „Puschkin“ mit der obligatorischen Kirsche, „Saurer Fritz“ (Zitronensirup vermischt mit Korn), „Schwarzer Kater“, „Sonnenschein“ (Eierlikör mit Bluna oder Fanta oder mit viel Sekt vermischt), „Stichpimpulibockforcelorum“ (35%iger Kräuterlikör, dessen Name sich aus den Anfangsbuchstaben der Zutaten zusammensetzt) oder Whisky-Cola der Renner.

Der Schriftführer des Musikvereins schrieb am 21. Februar 1963: „Eine Oase in der Wüste stellte die Bar dar. Es herrschte Hochbetrieb! Die Nacht wurde wieder zum Tag ehe sich die närrische Gesellschaft trennte und zum Teil gleich auf den Zug oder zur Arbeitsstelle ging. So manch ein Arbeitgeber wird auch umsonst vergebens gewartet haben… Dieser Donnerstag dürfte wohl wieder Höhepunkt der tollen Tage gewesen sein!“

Weil im Jahr 1976 die Turnhalle total durch „Rußige“ verschmutzt wurde, war 1977 das (Einlass)Motto: „Erst entrußen, dann schmusen.“

Ab dem Jahr 2010 tanzte man dann natürlich auf andere Hits in der Weiherer Mehrzweckhalle und genoss an der Bar z.B. „Apfelkorn“, „Asbach Cola“, „Bacardi“, „Havanna“, „Jägermeister“ oder „Wodka Lemon/Wodka Red Bull“.

Partyband „Comet“
Turnhalle Weiher 2004 Partyband „Comet“, v. li. Heimo Hoffmann, Catrin Speck und Harald Holzer mit dem „Peter-Maffay-Medley“ zum Kehraus (Foto: Erich Becker)
Schmutziger Donnerstag 2018, Band Laut & Leise
2018 in der MZH Weiher mit der Coverband „laut & LEISE“ (Foto: Musikverein Weiher e.V.)

Am Anfang spielte der Musikverein in der Turnhalle abwechselnd in zwei Gruppen auf, so z.B. als „Bauernkapelle“, als „Urwaldkapelle“ oder „Neger-Jazz-Band“, es gab „Matrosen“, eine flotte „Damenkapelle“ oder die Tanzkapelle „Die Goldene 6“, die sich aus den Musikvereinsmitgliedern Siegbert Böser, Horst und Artur Händel, Heinz und Karl Hochadel sowie Hans Schroff zusammensetzte. Später wurde eine Musikkapelle zusätzlich engagiert. Viele erinnern sich sicher noch an die Musikgruppen, die in der Turn- bzw. Mehrzweckhalle gespielt haben wie z.B. „Sonny Boys“, „Rabbits“, „Chicks“, „Oranges“, „Galaxis“, „The Teddys“, „Kolibris“, „Golden Duo“, „Comet“ (s. Foto), „laut & LEISE“ (s. Foto) oder „Inflagranti“, auf deren Musik die Bajasse, Rußgugger (mit ihren aus Orangenschalen selbstgebastelten Gebisse), Schlabber und maskierten Schlumbler auch aus unseren anderen Ortsteilen und benachbarten Orten getanzt und geschmust haben. Und wenn um Mitternacht die Masken runter mussten, gab es so manche Überraschung!

Bei Rolf im Jahr 2015
Erlebnisbäckerei Rolf im Jahr 2015 (Foto: Rolf Heneka)
Und eines gehört natürlich auch zur Tradition: Der anschließende Besuch in der Bäckerei vom „Rolf“ nachdem der Schmutzige Donnerstag in der Halle zu Ende war. Als Rolf Heneka 2005 seine Erlebnisbäckerei in der Hahnenstraße eröffnete, hat er an die Teilnehmer des damaligen Nachtumzugs am Freitagabend kostenlos Brötchen verteilt. Damit hat er gleichzeitig dafür geworben, dass man künftig bei ihm vom Schmutzigen Donnerstag auf Freitag bereits ab 4 Uhr in der Früh ein deftiges Katerfrühstück einnehmen kann. Nicht selten waren es über 100 Kostümierte, darunter viele über 60 Jahre, die seit dort bei Hausmacherbrötchen mit Leberwurst, Speckstangen oder Krakauerbrötchen stets in fröhlicher Atmosphäre weitergefeiert haben.

Ja die Erinnerung an damals ist immer wieder schön, wenn auch zur Zeit Wehmut hinzukommt. Aber wir wissen: Nach jeder dunklen Wolke kommt ein Sonnenstrahl und so auch ganz bestimmt der nächste Schmutziche Dunnerschdag in Weiher!

Ein herzliches „Dangschee“ und „Helau“ an alle, insbesondere an jene im Musikverein Weiher, die mit ihren Erinnerungen und Fotos zu diesem Bericht beigetragen haben!

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