Zeuterner Fastnacht in alter Zeit

Saalfastnacht in der Bahnhofsgaststätte in den fünfziger Jahren. Foto: Renate König.

Unser Zeuterner Ortsteilvertreter Theodor Stengel hat für uns seine Erinnerungen zur Zeuterner Fastnacht aufgeschrieben. Der Heimatverein Ubstadt-Weiher e.V. dankt ihm sehr herzlich für seinen erneuten Bericht, der sicher bei den älteren Zeuterner Mitbürgern Erinnerungen wecken und bei all unseren Leserinnen und Lesern ein Lächeln aufs Gesicht zaubern wird. Ja, und vielleicht tanzen Sie mal wieder zu Hause auf das Lied „My Baby Baby Balla Balla“!

Hier sein Bericht:

Die Fastnacht in Zeutern unterschied sich wohl nicht sehr viel von dem entsprechenden Treiben andernorts im Kraichgau oder in der Hardt.
Auf jeden Fall kannte man auch den alten Spruch:
„Kiechlen wärra gabaggga un wónn da Hussje ufam Pfónnaschdiel hockd; un am beschda glai an Schaiarakórab voll.“
Was so viel bedeutet wie: Fastnachtskrapfen werden gebacken, selbst wenn der Gerichtsvollzieher auf dem Pfannenstiel sitzt; und am besten gleich einen Scheunenkorb (das ist ein großer, hoher Korb) voll.

Die sogenannten „Kiechlen“ wurden meistens am Fastnachtsdienstag in Rapsöl, dessen Grundprodukt man oft selbst angebaut hatte, ausgebacken und mit Wóisoß (Chaudeau) gegessen.

Auf Fastnachtsdienstag konzentrierte sich auch die Zeuterner Kinder- und Straßenfastnacht. In meiner Jugend trugen wir meistens noch alte Sachen, die man in modrigen Schränken auf dem Dachboden fand. Und wenn nichts Passendes dabei war, so schnitt man einfach drei Löcher in einen alten Kartoffelsack, den man sich dann über den Kopf stülpte.
Und als Beiwerk gab es noch einen Fastnachts-Batscher aus Pappe oder einen Stecken mit einem Fuchsschwanz oder einer aufgeblasenen Schweinsblase. Damit konnte man vortrefflich die Mädchen erschrecken.
Ich erinnere mich auch noch, dass ich mit einer ganzen Korona (Bande) anderer Kinder im halben Dorf „fechten“ ging. Fechten nannte man das „Hausieren“, um sein Taschengeld aufzubessern. Ganz früher bettelten die Kinder um Krapfen oder Eier, wir dagegen sagten dabei an jeder Haustür folgenden Spruch:
„Isch a gude Fraa am Haus, dónn gidd se a zehn Pfenning raus, isch awwa an besa Mónn am Haus, dónn schmaißdaras midd zómmd da Kuddl naus.“

Dies bedeutet übersetzt: Ist eine gute Frau im Haus, so rückt sie auch zehn Pfennige heraus, ist aber ein böser Mann im Haus, so wirft er uns mit den Kutteln raus. Kutteln (Innereien) waren das minderwertigste Essbare, das bei einer Schlachtung anfiel und der Hausherr war sich oft zu schade, diese zu „genießen“.
So bekam fast in jedem Haus jedes Kind einen Groschen.

Als ich einmal mit Taschen voller Münzen nach Hause kam, schämte sich meine ganze Familie, dass ich bei „so etwas“ mitgemacht hatte, obwohl dies in Zeutern ein althergebrachter Brauch war.

Für die Erwachsenen gab es in den damals zahlreichen Zeuterner Gaststätten über die fünfte Jahreszeit die sogenannten „Kappenabende“. Für Gäste, die nicht kostümiert kamen, stellten die Gastwirte bunte Papierkäppchen zur Verfügung. Meistens spielte eine Gruppe Musiker im Gastraum, fast jeder kannte jeden und bei Speis’ und Trank war es einfach lustig und gemütlich.

Außerdem gab es in Zeutern noch die sogenannte „Saalfastnacht“, wo es schon etwas ausgelassener zuging. Hier war auch die Jugend vertreten. Es kamen nämlich ganze Gruppen von jungen Leuten, vorwiegend zu Fuß, aus den umliegenden Ortschaften. Manche jungen Männer hatten aber auch schon Roller oder Motorräder.
Die Veranstaltungen waren entweder im Saal des „Gasthauses zum Engel“ oder im „Essenpreiser“-Saal, also in der damaligen Bahnhofswirtschaft, wo man in den 1950er Jahren sogar über eine Rutschbahn von der Bühne auf die Tanzfläche gelangen konnte (siehe Foto).
Wenn die Gruppe „Silberstern“ aus Heidelsheim aufspielte, tanzte man in oft selbstgeschneiderten Kostümen, die jungen Männer in den für die damalige Zeit typischen „Buschhemden“, wie die Lumpen am Stecken.

Im „Gasthaus zum Engel“ soll es zum Teil so heiß hergegangen sein, dass die Decke des historischen Gebäudes bebte und man aus Angst vor einem befürchteten Einsturz bestimmte wilde Rhythmen, wie zum Beispiel My Baby Baby Balla Balla, verbieten musste.
Und es gab auch sogar schon eine Bar, wohin man seine Angebetete entführte, um sich bei Faber Sekt, Eierlikör oder Goldwasser gut zu unterhalten.
Die Veranstaltungen begannen meistens um 19 Uhr und endeten, selbst mit Verlängerung, um 1 Uhr nachts.

Es klingt heute unglaublich, aber Zeutern gehörte damals zu den ersten Gemeinden im Umkreis, die bereits zu Anfang der 1960er Jahre einen Fastnachtsumzug veranstalteten.

Ich erinnere mich, dass wir Burschen  des Jahrgangs 1951 einen großen Wagen mit einem Schlachtkessel gestalteten, in den sich ein Schulkamerad setzte und um den wir wie Kannibalen herumhüpften.
Da sich aber verschiedene Gruppierungen des Ortes oft etwas zu sehr auf die Schippe nahmen, sollte leider nach wenigen Jahren die Tradition unserer Fastnachtsumzüge für fast 50 Jahre enden.

Man könnte es heute vielleicht als Schnapsidee bezeichnen, aber im Jahr 2009 träumten drei Zeuterner Fastnachter davon, den Fastnachtsumzug nun als Dämmerungsumzug und nur mit Fußtruppen wieder aufleben zu lassen.

Als treue Teilnehmer des Stettfelder Fastnachtsumzugs hat man sich wohl gedacht, dass das, was die Stettfelder können, doch auch bei uns gelingen müsste. So wurde in Zeutern aus der Idee (närrischer) Ernst.
Im November 2009 traf sich das neu gegründete Umzugskomitee zum ersten Mal. Als Logo und Erkennungszeichen wählte der Ausschuss die Silhouette des Zugmarschalls Wolfgang Stier, der aus einem Weinglas schläuchelt. Dies in Anlehnung an den Zeuterner Uznamen „Weinschläuche“.
Mit Unterstützung der Vereine „Deutsches Rotes Kreuz“ und der „Freiwilligen Feuerwehr“ und vielen anderen teilnehmenden Gruppierungen, die die Umzüge bereicherten, wurde aus einer Schnapsidee ein absolut toller Erfolg.

Bei allen, die mich bei meinen Recherchen mit Informationen oder Fotos unterstützt haben, darf ich mich hiermit ganz herzlich bedanken.

Theodor Stengel, 8. Februar 2022

 

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