Aus der Reihe „Handel und Handwerk im Wandel der Zeit“ Heute: Bäckerhandwerk in Weiher – Teil 2

Bäckerei Albrecht in den 50er Jahren. Foto: Archiv Heimatverein Ubstadt-Weiher e.V.

Bäckerei Karl Martin Herzog, Hauptstraße 65 (s‘Bäckers Karl)

Der älteste Sohn des Ehepaares Karl und Bertha Herzog, Karl Martin Herzog (1909 – 1978), verheiratet seit 1932 mit Agnes geb. Woll (1909 – 1967), erhielt in den 1930er Jahren, vermutlich als Erbteil, eine bestehende Bäckerei. Sie wurde im Oberdorf in der Hauptstraße 65 von der Familie Stather übernommen.

Daniel Stather (1858 – 1922) aus Tiefenbach und seine Ehefrau Emma geb. Simon (1872 – 1964) aus Weiher hatten vermutlich keine Nachfolger und nach dem Tod von Daniel im Jahr 1922 verkaufte man den Betrieb.

Bruno Herzog (1930 – 1980), der älteste Sohn von Karl Martin und Agnes, erlernte in Karlsruhe das Bäckerhandwerk. Während der Kriegszeit ruhte der Betrieb. Nach Rückkehr des Vaters aus russischer Gefangenschaft im Jahr 1949 erfolgte die Wiedereröffnung der Bäckerei. Bruno Herzog arbeitete im elterlichen Betrieb mit und auch seine beiden Schwestern, Berta und Emmy, waren unmittelbar nach Beendigung der Schulzeit in der Bäckerei beschäftigt. Nachdem Bruno den Beruf 1962 aufgegeben hat, erlernte der jüngere Bruder Werner (1953) in den Jahren 1968-1971 ebenfalls das Bäckerhandwerk.

Anfang der 1950er Jahre eröffnete die Familie Herzog in zwei bisher als Wohnung genutzten Räumen im Erdgeschoss in der Hauptstraße 65 zusätzlich ein Café (im eigentlichen Sinn eine kleine Gaststätte).  Bei schönem Wetter wurde im Hof außerdem ein kleiner Biergarten geöffnet. Angeboten wurden Vesper, Wein und Bier. Am Wochenende wurde das Sortiment um Hefezopf, Buttercremetorte und Käsekuchen erweitert. Das Café wurde bis 1960 betrieben. Hochbetrieb herrschte an Feiertagen, samstags und sonntags. An Kerwe, am Wendelinustag und an sonstigen Feiertagen mussten ebenfalls Sonderschichten eingelegt werden.

Am Tag der Wendelinus-Wallfahrt im Oktober hatte man im Wald bei der Kapelle zwei Stände und versorgte die Pilger mit Zuckerringen und Brezeln. Ein geliehener Lastwagen erleichterte in den 1950er Jahren die Warenfuhre in den Lußhardtwald.

Nach Aufgabe des Cafés erweiterte man das Ladengeschäft um diese Räumlichkeiten. Nun wurden auch Lebensmittel und Süßigkeiten angeboten. Schulkinder waren vor und nach dem Unterricht gern gesehene Kunden.

Zusätzlich erfolgten nun auch Außer-Haus-Belieferungen, so waren der Kiosk „Schnoog“ (am Bahnhof Ubstadt-Weiher), die Lebensmittelgeschäfte Manfred Schäfer in der Ubstadter Straße 12 (ehemals Bahnhofstraße 12) und Manfred Gärtner in der Schulstraße 6 willkommene Abnehmer.

Auf Bestellung backte man Zwiebelkuchen für Vereine, schnell waren da zehn große Bleche zusammen und sorgten für eine tränenreiche Arbeit in der Backstube. Saisonales Gebäck wie Osterlämmchen, Neujahrsbrezeln, Weihnachtsgebäck, Christstollen und Hutzelbrot gehörten zum zusätzlichen Sortiment.

Wegen einer Mehlstauballergie konnte Sohn Werner nicht voll in den Betrieb einsteigen. Und so beschloss Karl Herzog nach dem Tod seiner Ehefrau, der Verheiratung der Tochter Emmy und den Gesundheitsproblemen des Sohnes im Jahr 1970 die Aufgabe des Betriebes.

In der Familie Link fand man einen Pächter, der den Betrieb bis 1989 weiterführte. Anschließend wurde das Anwesen an die Bäckerei Heneka verkauft und von Klaus Heneka betrieben. Das komplette „Aus“ der Bäckerei-Tradition in der Hauptstraße 65 erfolgte nach dem Tode von Klaus Heneka (2014) dann im Jahre 2015.

Bäckerei Baron, Ritterstraße 18

Eine weitere frühe Bäckerei befand sich in der Ritterstraße 18. Vermutlich wurde sie seit den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts von Franz Baron aus Hambrücken (1848 – 1932) betrieben, der mit Maria Treibel aus Weiher (1852 – 1913) verheiratet war. Von dem Anwesen führte ein Durchgang zur Hauptstraße. Durch diesen konnten auch die Frauen von der Hauptstraße auf kurzem Wege ihr Brot und ihre großen Blechkuchen zum Backen in die Bäckerei Baron bringen. Nach dem frühen Tod des Sohnes Leonhard (1876 – 1915) im Ersten Weltkrieg erlosch die Bäckerei Baron, die er übernehmen und weiterführen sollte.

Bäckerei Albrecht (s‘Mina-Bäckers), Hauptstraße 89, später Kirchplatz 1 Möglicherweise ist „s‘Mina-Bäckers“ die älteste nachweisbare Bäckerei in Weiher. Florian Holzer (1844 – 1893) und seine Ehefrau Wilhelmina (Mina) geb. Schmitt (1845 – 25) betrieben vermutlich den Backofen in der Gemeinde als kleinen Nebenerwerb zu der vorhandenen Landwirtschaft. Ferdinand Holzer (1868 – 1915), der Sohn der beiden, verheiratet mit Lehrerstochter Paulina Haffner (1863 – 1925) geboren in Offenburg, erlernte als erster in der Familie den Beruf des Bäckers und betrieb nun hauptberuflich das Bäckerhandwerk in der Hauptstraße. Die Tochter Eugenia (1896 – 1952) brachte mit Ehemann Emil Albrecht (1892 – 1958), Bäckermeister aus Langenbrücken, bereits die nächste Generation ins Haus.

Auch der Sohn von Eugenia und Emil, Ewald Albrecht (1923 – 1990), ergriff den Beruf des Bäckers und übernahm das elterliche Geschäft. Zusammen mit Ehefrau Hildegard geb. Gramlich (1927) aus Östringen, ebenfalls Tochter aus einer alteingesessenen Bäckerei, führte er den Betrieb in die modernen Zeiten. In den 1950er Jahren wurde ein sehr erfolgreiches Café eröffnet, Treffpunkt für Jung und Alt (siehe Foto). Beliebt war bei der älteren Generation der morgendliche Salzweck und das Viertele Wein. Hier sei der süße „Samos“-Wein erwähnt, der die Kundschaft erfreute. Montags trafen sich im Café Albrecht auch die Bäckerkollegen zur Besprechung an ihrem backfreien Tag. Für die jüngere Generation war es am Sonntagnachmittag ein Ort zum Plaudern und Kennenlernen. So manche Paare begegneten sich im Café Albrecht zum ersten Mal. Mit seinem unterhaltsamen und geschäftstüchtigen Wesen war Ewald Albrecht stets die gute Seele von allem.

Nach der Schließung des Cafés im Jahr 1973 erweiterte man die Bäckerei um ein Selbstbedienungsgeschäft für Lebensmittel, ergänzt durch einen Tchibo-Shop. Auch die Bäckerei Albrecht, oder „s‘Mina-Bäckers“, der Name der Gründerin hielt sich all die Jahre, hatte ein breites Sortiment an Brot, Brötchen, Kuchen und Torten. Auch selbstgemachte Nudeln gab es zu kaufen. Das berühmte „Zimtkreuz“ lässt den ehemaligen Kindergartenkindern der alten „Krone“ noch heute das Wasser im Mund zusammenlaufen. Ende der 1980er Jahre schloss das Bäckergeschäft für immer, Bäckermeister Ewald Albrecht starb nach schwerer Krankheit im Jahr 1990.

Schluss folgt.

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