Erinnerungen an die Weiherer Hahnenstraße – 2. Teil

Foto: Archiv Heimatverein

Im Mitteilungsblatt der Gemeinde Ubstadt-Weiher vom 4. März 1993 war folgender Bericht des ehemaligen Ratschreibers Hermann Walter zu lesen:

„Der Vater meines Urgroßvaters Andreas Herzog besaß in den Hahnenäcker ein größeres Grundstück. Da zu dem Acker kein Zufahrtsweg war, bat er den Besitzer des davor liegenden Hauses um Durchfahrt durch seinen Hof und gab ihm ein Stück Gartenland dafür.

Später wurde der Acker zu Bauplätzen und unter den Kindern verteilt. Einige bauten Häuser darauf, andere verkauften die Bauplätze an Verwandte. Im Jahre 1867 wurde das erste Haus gebaut. Später wurde der Weg noch von anderen Bauern befahren und alsbald als eine Straße anerkannt. Es kamen immer mehr Baulustige hinzu, die Straße musste verlängert werden und so entstand die „Hahnenstraße“. Sie wurde Hahnenstraße genannt, weil das Gewann „Hahnenäcker“ heißt.“
Soweit der Bericht im Mitteilungsblatt.

Der Hahnensträßler Bruno Meister erzählte uns noch folgendes: „Die Hahnenstraße war bis in die 1950er Jahre der süd-westliche Ortsrand von Weiher. Je nach Jahres-zeit und Wetter konnte man bis zum Wald schauen. Es war eine sehr ruhige Gegend. Aber leider auch die schlechteste Straße in ganz Weiher.

Die eine Hälfte der Straße war ein sandiger Untergrund, der wurde von den Kuhfuhrwerken benutzt. Die andere Hälfte waren Schottersteine, da waren die wenigen Radfahrer unterwegs.

Ab und zu sah man auch jemand mit dem Ziehwägelchen. Von der Hauptstraße her kommend standen bis zur Einmündung der Forster Straße (dem sogenannten „Schauermanns Eck“) auf der rechten Seite gerade mal sieben Häuser, links waren es nur drei Häuser. Alles andere waren entweder Spargeläcker oder Gärten.

Aus Richtung Hauptstraße ging es für Weiherer Verhältnisse etwas bergauf. Man sagt, dies wäre auch heute noch der höchste Punkt von Weiher.

Das erste Haus links war das sogenannte „Schwesternhaus“. Meistens wohnten hier vier Ordensschwestern.
Gleich daneben war das Anwesen der Familie Anton Wippel II („Akzisers Anton“). Der Keller von Wippels war während des Zweiten Weltkriegs einer der Luftschutzkeller für die Bewohner der Hahnenstraße. Die meisten Schutzsuchenden waren junge Frauen und Kinder. Während die Kinder geweint oder geschlafen haben, wurde von den Frauen und Müttern so mancher Rosenkranz gebetet.

Die Häuser auf der rechten Seite der Straße hatten meistens eine Steintreppe zur Straße hin. Diese Treppen waren ein beliebter Treffpunkt am Abend. Die ganze Nachbarschaft fand sich hier ein. Da wurden Sorgen und Probleme ausgetauscht und die gab es nach dem Krieg genug. Und trotzdem wurde auch gelacht, ganz besonders wenn die wenigen, meist älteren Männer etwas zu viel Most getrunken hatten.

Für die Kinder war die Umgebung der Hahnenstraße das reinste Paradies. Besonders beliebt waren die Äcker nach der Spargelsaison. Da spielten die Kinder „Fangerles“, wie man in Weiher sagte.

Da die Hahnenstraße meistens von den Weiherern nicht benutzt wurde, wurde dort viel Fußball gespielt, da kamen auch Buben von anderen Straßen. Leider gab es bedingt durch die schlechte Straßenbeschaffenheit viele Verletzungen, besonders die Knie wurden „aufgeschürft“. Da war es von Vorteil, dass die Krankenschwester vor Ort war und man gleich versorgt wurde. Wenn man beim Verarzten dazu auch weinte, bekam man von der Schwester noch ein „Muserbrot“.

Ein ganz besonderer Festtag in der Hahnenstraße war der Fronleichnamstag. Da wurden die Schottersteine zusammengekehrt, um sie am nächsten Tag wieder zu verstreuen. Am „Schauermanns Eck“ war der festlich geschmückte Altar aufgebaut. Heute ist die Hahnenstraße fast die Ortsmitte und die Straße ist viel befahren. Die meisten derzeitigen Bewohner der Straße sind die Kinder bzw. Nachfahren von damals. Aber auch viele Zugezogene fühlen sich in der Hahnenstraße gut aufgenommen.“ Soweit der Bericht von Bruno Meister.

Über viele Jahrzehnte hinweg bildete die Hahnenstraße die südliche Begrenzung des Dorfes. Erst nach den 1960er Jahren ist Weiher so richtig aus allen Nähten geplatzt und hat immer neue Häuslesbauer angezogen.

In einer Urkunde von 1614 erscheint der Flurname „Stützbeimel“. In einer weiteren Urkunde vom Januar 1617 ist von einem „Stetzenbäumlein“ die Rede, das auch noch im Schatzungsbuch von 1754 erwähnt ist. Laut Zeitzeugen führte durch diese Flur ein Weg in Richtung Forst, weshalb dieser „Stelzerbemel“ genannt wurde. Bei gutem Wetter konnte man von hier aus bis zur Kreuzung Bahnhofstraße schauen.

Von der Hahnenstraße zweigen folgende Straßen ab, und zwar von der Hauptstraße aus gesehen:

Nach links die Langstraße, dann die Forster Straße rechts und links, danach nur nach links die Straße „Weidenäcker“. Die nächste Straße, die nur nach rechts abzweigt, ist die Gärtnerstraße. Die letzte, nach links abzweigende Straße, bevor die Hahnenstraße auf die Heerstraße trifft, ist die Wendelinusstraße.

Der nachfolgende Bericht beginnt nun mit den geraden Hausnummern:

Im Haus Nr. 4 wohnte Anna Hochadel geb. Etzkorn. Weil sie zweimal in der Woche zu Fuß zum Wochenmarkt nach Bruchsal lief, um dort Butter zu verkaufen, nannte man sie „Butterers Anna“.

Im selben Haus wohnten Rochus und Franziska (Fränz) Hochadel geb. Etzkorn, deren Sohn Heinz Hochadel (1935 – 2009) vom 1.2.1979 bis zum 31.1.1995 Bürgermeister in Kronau war. Im Jahr 2006 wurde ihm die Ehrenbürgerwürde der Gemeinde Kronau verliehen. Heinz spielte mit seinem Bruder Karl in den 1960er und 1970er Jahren unter anderem in der Tanzkapelle „Die Goldene 6“.

Im Haus Nr. 6 (siehe Foto) hatte Gerhard Herzog ein Schuhgeschäft und eine Schuhreparatur-werkstätte. Er war Gründungsmitglied des Tauben-vereins „Heimkehr Weiher“.

Das Haus Hahnenstraße Nr. 8 war das Elternhaus von Hermann Walter, der von Mai 1945 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1989 Ratschreiber zunächst von Weiher und später von Ubstadt-Weiher war.

Im Haus Nr. 10 (erbaut 1904) wohnten Markus und Maria Bader geb. Brenner. Markus spielte meistens in der Frühmesse am Sonntag die Orgel, sein Sohn Erich Bader spielte dieses Instrument bereits mit zehn Jahren das erste Mal in der sonntäglichen Mittagsandacht.

Erich Bader war von 1956 bis 1964 Dirigent des Kirchenchors in Weiher und von 1965 bis 2007 dirigierte er den Kirchenchor in Stettfeld.

Das Fachinstitut für Kosmetik und Parfümerie von Amelie Dammert geb. Edinger befand sich vom 15.11.1986 bis zum November 2019 im Haus Nr. 14.

Schluss folgt.

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