Franziskanerinnen vom Göttlichen Herzen Jesu aus Gengenbach von 1945 bis 1960 in Stettfeld – 2. Teil

Quelle: Ortsbuch Stettfeld

Schwester Valeres war nicht nur eine hervorragende Nähschwester, sondern auch eine sehr begabte Organistin und Chorleiterin und spielte in der Zeit als sie in Stettfeld war die Orgel und leitete den Kirchenchor. Man kann heute noch hören, dass sie auch hier eine strenge Chorleiterin war. Wenn jemand am Sonntag um 15 Uhr bei der Kirche vorbeilief, konnte er die Schwester schnellen und leichten Schrittes der Kirche zueilen sehen, so als käme sie nicht schnell genug zu ihrer Orgel. Und gleich darauf hörte man auch ihr Orgelspiel, das profihaftes Können war und niemals Üben. Da waren an der Orgel alle Register gezogen. Somit war Schwester Valeres für Stettfeld in den schweren Zeiten, wo die meisten Kirchenmusiker im Krieg waren, ein enormer Gewinn. Im Ort wurde gemunkelt, dass Schwester Valeres einen Freund gehabt hätte, der im Zweiten Weltkrieg gefallen sei  und sie darum ins Kloster gegangen wäre. Auch, dass sie Abitur gehabt hätte.

Als wir wieder einmal nach den Schulferien in die Nähschule kamen, erlebten wir einen gewaltigen Schreck. Schwester Valeres war nicht mehr da, ohne dass wir vorher irgendetwas vernommen hatten. Wie wir hörten, war sie nach Viernheim bei Mannheim versetzt worden. Wahrscheinlich wurde da dringend eine gute Chorleiterin und Organistin benötigt.

Den Stettfelder Kirchenchor übernahm Hauptlehrer Rudolf Schnepf, der kurz zuvor nach Stettfeld gekommen war, und seine Tochter Maria spielte die Orgel. Dafür musste die Familie in der Lehrerwohnung im Schulhaus keine Miete bezahlen.

Die Stettfelder Nähschule war trotzdem nicht verwaist, denn nach den Schulferien war nicht nur Schwester Valeres weg, es war auch schon wieder eine neue, sehr gut aussehende, ganz junge Schwester mit Namen Reinharda da, die ihre erste verantwortungsvolle Stelle angetreten hatte, um in den Diensten der Nächstenliebe außerhalb des Klosters zu arbeiten. Leider wusste niemand, wo Schwester Reinharda geboren war. Zur Freude aller Nähschüler kam mit Schwester Reinharda auch noch eine neue Pfaff-Nähmaschine in die Stettfelder Nähschule, die Nähschwester Reinharda von ihren Eltern als Geschenk zu ihrer ersten öffentlichen Stelle als Nähschwester bekommen hatte. Alle Nähschüler wollten nur noch auf dieser Nähmaschine nähen und niemand mehr auf den alten Klapperkisten, lieber wurden lange Wartezeiten vor der Nähmaschine in Kauf genommen.

Schwester Reinharda war genau wie Schwester Valeres eine sehr gut ausgebildete und talentierte Nähschwester. Im Gegensatz zu Schwester Valeres organisierte sie ab und zu Ausstellungen der in der Nähschule genähten Kleidungsstücke, die teils auf einem großen Tisch lagen und teils auf Spanplatten an der Wand angesteckt waren. Da gab es dann einen Tag der offenen Tür und jeder Bürger konnte sich von den verschiedenen gefertigten Teilen ein vollständiges Bild machen, was in der Nähschule alles geleistet wurde. Da inzwischen die Zeiten schon besser waren und die Menschen schon mehr Geld verdienten, wurde schon vieles von der Stange gekauft. Die Nähschule war dann nicht mehr so überfüllt. Selbst wenn Schwester Valeres das hätte machen wollen, sie hätte nicht die Zeit dazu gehabt.

Im Jahr 1958 nähte ich bei Schwester Reinharda mein Hochzeitskleid (siehe Foto), ganz einfach und schlicht. Das einzige Auffallende daran war, dass es am Rücken mit vielen kleinen Schlaufen und mit Stoff überzogenen Kugelknöpfchen bis zur Taille zugeknöpft wurde. Es war zu meiner vollsten Zufriedenheit ausgefallen. Noch am Hochzeitstag kam von Schwester Reinharda eine Postkarte, auf der Vorderseite das Bildnis der Mutter Gottes und auf der Rückseite folgende Glück- und Segenswünsche: „Zu Ihrem entscheidungsvollen Tag darf ich Ihnen sowie von allen Schwestern des Hauses meine allerherzlichsten Glück- und Segenswünsche entbieten. Möge der liebe Gott Ihren Bund segnen und Ihnen seine Gnade dazu geben. Das erbete ich für Euch heute. Ihre Schwester M. Reinharda.“ Noch am selben Tag gab es für die Schwestern Hochzeitskuchen.

Dank den hervorragenden Nähschulschwestern konnten wir nach einigen Jahren Nähschule unsere Kleider eigenhändig und selbständig nähen. Die noch vorhandenen Probleme waren die Schnittmuster. Dafür gab es auch eine Superlösung! Wir kauften uns in einem Geschäft eine Modezeitschrift, „Burda“ oder der „Neue Schnitt“, und rädelten mit einem dafür geeigneten Rädchen die Schnittmuster zu den ausgesuchten Kleidermodellen aus. Auch wenn Vaters Hose zu eng geworden war, wurde eine kleinere für die Buben genäht. Diesen gefiel das leider nicht so gut, sie hätten viel lieber die damals neueste Mode „Jeans“ getragen. So konnten wir doch in unserem Leben so manches Geld einsparen.

Das ganze Erdgeschoß des Josefshauses abzüglich des Treppenhauses war ein einziger Raum, der in der Mitte durch drei große Rollläden in zwei größere Räume getrennt war, den Bühnenraum und den Kindergartenraum. Wenn man durch die Haupteingangstür das Josefshaus betrat, ging es noch einige Steintreppen hoch, dann war auf der linken Seite eine Tür, die in den Bühnenraum führte. Geradeaus ging es in den Kindergartenraum. Die Bühne konnte sich sehen lassen, sie war wirklich schon ganz ansehnlich und der ganze Stolz der Stettfelder Einwohner. Hier wurde jedes Jahr, schon in der Adventszeit und auch an den Weihnachtsfeiertagen, von verschiedenen Vereinen Theater gespielt. Auch der Kirchenchor und die Katholische Jugendgruppe machten keine Ausnahme. Doch vor allem die Kindergartenschwester Fridiana (siehe Foto) konnte kaum die Weihnachtszeit abwarten, bis sie Theater spielen konnte. Sie war eine begeisterte Regisseurin. Wenn sie mit ihren Kindern Theater spielen konnte, war sie ganz in ihrem Element. Die Schwester versuchte immer, viele ihrer Kindergartenkinder in das Theaterstück einzubinden, wenn das vom Stück her nicht so passte, wurde noch ein Reigen eingefügt. Es wurde die allseits begabte Nähschwester Valeres dazu geholt, diese tänzelte ein wenig herum und schon war ein neuer Reigen kreiert. So gab es jedes Jahr, wenn es nicht anders ging, immer einen neuen Reigen. Wenn Theater gespielt wurde, kam der Schwager von Schwester Fridiana, der in Mannheim in einer Theatergruppe war, nach Stettfeld und schminkte die Kinder profihaft und sachgerecht. Danach konnte man nur noch stolze und glückliche Kindergesichter sehen. Schwester Fridiana war eine gebürtige Mannheimerin. In ihrem Wesen war sie sehr quirlig und lebhaft. Das musste sie aber sein, wenn man bedenkt, wie viele Kinder eine Kindergartenschwester damals, meistens ohne zusätzliche Hilfskraft, zu betreuen hatte.

Autorin: Maria Staudt geb. Sapandowski

Schluss folgt.

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