Franziskanerinnen vom Göttlichen Herzen Jesu aus Gengenbach von 1945 bis 1960 in Stettfeld – Schluss

Quelle: Ortsbuch Stettfeld

Als wir nochmals um 1954 bei der Kindergartenschwester im Theaterstück „Das Wunder von Lourdes“ mitmachten, spielte Hilberta Bittlingmaier die Mutter Gottes, die den drei Hirtenmädchen erschienen ist (siehe Foto). Die Rolle war ihr direkt auf den Leib geschrieben. Hilberta Bittlingmaier ist bald nach der Schulentlassung in den Orden der Franziskanerinnen vom göttlichen Herzen Jesu in Gengenbach eingetreten, sie wurde die Nähschulschwester Radegundis (siehe Foto). Ob sie durch das Theaterstück dazu inspiriert wurde? Sie ist heute altersbedingt in Gengenbach im Haus Bethanien (siehe Foto), Auf dem Abtsberg 4. Das ist das Altersheim des Klosters in Gengenbach. Wundern muss man sich, dass aus dem früher so religiösen Stettfeld so wenige Ordensleute hervorgegangen sind, im Gegensatz zu Weiher und Zeutern. Wo doch Schwester Fridiana immer wieder versucht hatte, junge Mädchen zu animieren, ins Kloster zu gehen. Außer Schwester Radegundis hatte es früher noch zwei Ordensschwestern gegeben, einen Priester und einen Pallotinerpater.

Schwester Fridiana wurde um 1965 in eine andere Schwesternstation versetzt,  niemand in Stettfeld wusste wohin. Einige Jahre danach war ich in Bruchsal im damaligen Kaufhaus Schneider zum Einkaufen, da waren auch zwei Schwestern in der Stoffabteilung. Die Stimme der einen Schwester kam mir sehr bekannt vor, durch die vorstehende Haube konnte ich aber ihr Gesicht nicht sehen. Ich schlich so lange um sie herum, bis ich sie richtig im Blickfeld hatte, es war tatsächlich Schwester Fridiana! Sie hatte mich auch gleich erkannt, die Freude war groß und die Begrüßung war sehr herzlich. Ganz verwundert musste ich feststellen, dass sie ganz in der Nähe, in einer Schwesternstation ungefähr fünfzehn Kilometer von Stettfeld entfernt, nämlich in Untergrombach, stationiert war und niemand in Stettfeld hatte sie je gesehen oder etwas von ihr gehört. Das war auch für mich das letzte Mal, dass ich Schwester Fridiana getroffen und mit ihr gesprochen habe.

Dann gab es noch die Krankenschwester, in Stettfeld wusste man von der Krankenschwester nie den Namen, es war einfach nur „die Krankenschwester“. Sie war die Oberin der Schwesternstation und hatte somit auch das Sagen. Auch war sie zuständig für den Haushalt. Einkauf, Kochen, Waschen, Putzen sowie das bisschen Haushaltsgeld verwalten. In der Umkleidekabine in der Nähschule stand ein zweites Bügelbrett, wo die Krankenschwester die Wäsche der Schwestern bügelte. Beim Bügeln der Bettlaken holte sich die Krankenschwester immer ein Mädchen dazu, das in der Warteschleife bei der Nähschwester stand und das ihr dann helfen musste, die Bettlaken zusammenzulegen.
Am Morgen und am Abend machte sie ihre Krankenbesuche. Wenn am Tag ein Notfall war, wurde das natürlich sofort erledigt. Früher waren meistens Landwirte oder selbständige Handwerker nicht krankenversichert, weil das Geld dazu einfach nicht reichte. So ist der eine oder andere gestorben, ohne dass er je einen Arzt konsultiert hatte und in der Krankheit oder in der Pflege nur von der Krankenschwester betreut wurde. Wenn ein Schwerkranker im Sterben lag, ließ es sich die Krankenschwester nicht nehmen, ihn beim Sterben zu begleiten. Durch ihre langjährige Erfahrung mit Sterbenden konnte sie fast genau die Sterbestunde vorhersagen, so dass die nächsten Angehörigen dabei sein konnten. Auch sorgte sie dafür, dass der Todkranke die christlichen Sterbesakramente erhielt.

Das Nachbargrundstück neben dem Josefshaus war mit einer Betonmauer eingegrenzt. Dazwischen war ein schmaler Durchgang von ungefähr 1 Meter und 20 cm, ein Verbindungsweg zwischen der Weiherer Straße, heute Lußhardtstraße, und der Talstraße, wo auch die Milchzentrale der Familie Mönig war. Aus einem Fenster im oberen Stockwerk des Josefshauses ging ein Draht, an dessen Ende ein Eisengriff befestigt war. Im Gang des oberen Treppenhauses hing eine Glocke. Das war die Nachtglocke für die Krankenschwester. Ein Mädchen, um die dreizehn Jahre alt, das jeden Abend ungefähr um die gleiche Zeit durch das Gässchen lief, um Milch zu holen, wollte unbedingt wissen, wie sich das anhört und ob das überhaupt funktioniert. Irgendwann nahm sie allen Mut zusammen und zog an dem Eisengriff und siehe da, ein schönes und lautes „Ginggong“ ertönte. Weil es gar so schön war, ging das einige Tage so. Als sie an einem Abend gerade wieder den Arm hob, um zu klingeln, sagte eine Stimme: „Du bist das, das hätte ich jetzt aber auch nicht gedacht!“ Es war die Stimme der Krankenschwester. Das Mädchen gab keine Antwort, sie sah auf den Boden, doch dieser tat sich nicht auf, dass sie vor Scham versinken konnte. Gesenkten Hauptes lief sie schnell zum Ende des Gässchens, wo es um die Ecke ging und die Schwester sie nicht mehr sehen konnte. Das würde etwas geben, wenn das ihre Eltern erfahren würden, wo sie doch so eine strenge Mutter hatte. Auch von Pfarrer Weibel würde es eine kräftige Abfuhr geben, immerhin war es die Nachtglocke der Krankenschwester. Sie wollte doch auch wieder in die Nähschule gehen, was würde die Nähschwester dazu sagen? Doch zu ihrem Erstaunen war das Thema vollständig vom Tisch, niemand sprach mehr ein Wort darüber. Daraus konnte sie erkennen, dass selbst die strenge Schwester Oberin Verständnis, wie in diesem Fall, für junge, dumme Mädchenstreiche haben konnte.

Das Mädchen Maria von damals denkt immer noch gerne und dankbar zurück an die Zeit, als die Gengenbacher Schwestern in Stettfeld waren.

Ich bedanke mich bei Anni Dörr aus Stettfeld für ihre sehr guten Recherchen zu Schwester Radegundis (Hilberta Bittlingmaier).

Stettfeld, im August 2023, Autorin: Maria Staudt geb. Sapandowski

Right Menu Icon