Die Sage vom Zeuterner Kapellbergschloss und der Marienkapelle

Heimatkalender Zeutern

Unser Ortsteilvertreter von Zeutern, Theodor Stengel, hat dankenswerterweise bereits über die Sage zur Entstehung des Vitus-Kreuzes berichtet. So wie es mehrere verschiedene Erzählungen oder Sagen zu diesem Kreuz gibt, so halten sich auch unterschiedliche Geschichten über die Errichtung der Marienkapelle (siehe Foto) und des Kapellbergschlosses in Zeutern.

Hier die Erinnerungen von Theodor Stengel:

In meiner Kindheit erzählte man mir beispielsweise, dass man in Pestzeiten die Kapellgärten auch als Begräbnisstätten genutzt habe. Deshalb wird die Kapelle heute noch manchmal als „Pestkapelle“ bezeichnet, gleichwohl gab es aber den Pestheiligen St. Sebastian nur in der alten Zeuterner St. Martinskirche.
Und es existierten noch etliche weitere Schilderungen alter Basen und Vettern (so nannte man in Zeutern früher ältere Nachbarn), die, wenn sie auch mit den schriftlich überlieferten Dokumenten nicht übereinstimmen sollten, doch viel zu schade wären, achtlos der Vergessenheit anheimzufallen.

Zusammenfassend möchte ich im folgenden Text nach bestem Wissen und Gewissen eine Version der Sage wiedergeben:

In uralter Zeit soll es am Hang des Kapellbergs ein stolzes Schloss gegeben haben, das gleich hinter den Häusern des Dorfes hoch aufragte. Die Besitzer sollen sehr reich gewesen sein und vielleicht waren es jene Adeligen, die den Namen Zeutherns trugen und deren Wappen (ein silbernes Krummhorn auf schwarzem Grund) heute noch im Chorraum der Klosterkirche zu Maulbronn eine Wand ziert.

Die Sage berichtet, dass ein Ritter des Kapellbergschlosses in Begleitung seiner Knappen mit einem Kreuzzug ins Heilige Land pilgerte, um das Heilige Grab von den Ungläubigen zu befreien.

Nach monatelanger, höchst beschwerlicher Reise gelangten sie in eine staubtrockene, wüstenartige Gegend ohne jegliche Vegetation. Dort herrschte eine unerträgliche Hitze. Durch die schrecklichen Strapazen total erschöpft, wurde der Ritter auch noch von einer lebensbedrohlichen Krankheit mit hohem Fieber heimgesucht. So soll er, halb verdurstet und in allergrößter Not und Todesangst, der Schmerzensmutter Maria geschworen haben, dass er, wenn er noch einmal seine geliebte Gemahlin zuhause in die Arme schließen dürfte, inmitten jener Stelle seines Besitzes, dort wo die meisten Brunnen emporquollen, eine Kapelle bauen würde.

Es grenzte an ein Wunder, dass ihn, zwar von Krankheit schwer gezeichnet, seine Knappen tatsächlich wieder nach Hause bringen konnten. Doch kurz nachdem er seine Gattin wieder liebevoll in die Arme schließen und ihr von seinem Gelübde erzählen konnte, soll er in die ewige Seligkeit eingegangen sein. Seine Witwe jedoch habe daraufhin alsbald die Kapelle erbauen lassen.

Soweit aus der Erinnerung die mir als Kind berichtete Überlieferung der Sage, die allerdings von manchen auch genau umgekehrt erzählt wurde, nämlich dass der Ritter seine Frau bei der Heimkehr krank angetroffen habe und nach ihrer Genesung die Kapelle erbauen ließ, was mir jedoch irgendwie nicht logisch erscheint.

Tatsächlich berichten kann ich, dass bis in die 1950er Jahre um die Kapelle, fast mondsichelförmig angeordnet, mehrere Brunnen waren.
Zum Beispiel gab es westlich von der Mittelachse der Kapelle ausgehend einen rund gemauerten Brunnen, der östlich genau an das Bachgässchen grenzte (heute befindet sich dort ein Parkplatz).

Das Gegenstück dazu befand sich auf dem Grundstück meines Elternhauses, und zwar an der Grenze zum Haus von Rupert Geiß. Dies war ein sogenannter „Schöpfbrunnen“, ähnlich wie die Brunnen in Ungarn. Er wurde jedoch bereits von meinem Urgroßvater Martin Dutzi zu Beginn des 20. Jahrhunderts zugeschüttet.

Im Hof von Martin Reiser, der damals nur über das Anwesen von Karl Dutzi erreichbar war, gab es rechts vor dem Schuppen eine Quelle, die bis zur Einführung der Wasserleitung die Familie mit Wasser versorgte.
Es gab auch eine Quelle im Garten von Ludwig Dietz, also unterhalb der Kapelle, aus der ich selbst noch Wasser getrunken habe.
Selbst beim Bau der früheren Apotheke stieß man auf eine starke Wasserader, die die Erstellung des Gebäudes erheblich verzögerte.
Dasselbe war beim Ausbau der Kapellenstraße der Fall, als man auf Höhe der ehemaligen „Winzerstube“  das Wasser über die Kanalisation ableiten musste.

Ein Nachbar erzählte mir vor einiger Zeit, dass er in seinem Haus am Fuße des Kapellbergs, das auf den Grundmauern einer ehemaligen Scheune steht, einmal Hochwasser im Keller hatte. Doch das Wasser soll so schnell wie es gekommen war auch wieder verschwunden sein, obwohl an der Stelle kein Ablauf existiert hat. Man stellte damals danach fest, dass sich unter dem Keller ein weiterer Keller befand.

Erwähnen möchte ich noch, dass ich während Erdarbeiten zu Anfang der 1980er Jahre unter dem Hoftor meines Elternhauses einen Teil einer mittelalterlichen Ofenkachel gefunden habe.

Außerdem gibt es bis zum heutigen Tag am Hang des Kapellbergs das Gewann mit dem Flurnamen „Hofäcker“, der auf ein ehemals dort befindliches Schloss schließen lassen könnte.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wohnten direkt unterhalb der Kapelle die Eheleute Josef und Regina Keßler geb. Theilacker. Weil sie das Kapellenläuten und die Hausmeisterdienste übernommen hatten, durften sie den unteren Kapellgarten bewirtschaften. Mangels eines Kellers in ihrem Haus sollen sie zur Einlagerung von Rüben und Kartoffeln in diesem Garten eine „Erdmiete“ gegraben haben. Es wurde häufig erzählt, dass sie dabei Skelette von Soldaten mit Schwertern fanden.
Und bis auf den heutigen Tag findet man bei Gartenarbeiten in den Kapellgärten (siehe Foto) menschliche Gebeine.

Das Verschwinden des Kapellbergschlosses erklärten sich frühere Generationen damit, dass es Stein für Stein abgetragen und für die Grundmauern von Zeuterner Häusern verwendet wurde.
Wenn man jedoch den Vorgängerbau des Hauses von Ludwig Dietz, der in den 1980er Jahren abgerissen wurde, etwas genauer betrachtete, konnte man an der Straßenseite eine ehemalige Wehrmauer vermuten, zumal sich darüber noch Schießscharten befanden (siehe Foto). Der besagte Gebäudeteil war aus Sandstein und darunter gab es einen tiefen Gewölbekeller. Außergewöhnlich war auch die dahinter liegende Scheune, die zum Teil mit Lehmziegeln gebaut war und ein Walmdach hatte wie in manchen Kraichgau-Dörfern die Zehntscheunen. Eduard Hirsch erzählte auch oft, dass sein Wohnhaus sowie das von Martin Reiser aus der ehemaligen Zehntscheune entstanden sein soll. Da diese viel größer war, könnte es sich um einen Nachfolgebau der Scheune des Hauses Ludwig Dietz gehandelt haben.

 

Zeutern, im März 2023
Theodor Stengel, Autor

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