Erinnerungen an die Zeit, als Weiher noch keine Leichenhalle hatte  – Teil 1

Foto: Archiv Heimatverein

Der nachfolgende Bericht unserer 1. Vorsitzenden Ursula Hohl zur früheren Sterbe- und Beerdigungskultur basiert auf vielen Gesprächen mit älteren Menschen aus Weiher über ihre Erinnerungen zu diesem Thema.

Er soll aufzeigen, wie sich die Sterbe- und Beerdigungskultur im Laufe der Zeit im Ortsteil Weiher gewandelt hat.

Hier ihr Bericht:

„Viele aus unserer älteren Weiherer Leserschaft erinnern sich noch sicher an die Krankenschwestern Protasia oder an Schwester Bertilla (siehe Foto), ihre Nachfolgerin ab Oktober 1982, Franziskanerinnen vom Göttlichen Herzen Jesu in Gegenbach. Zu jeder Tages- und Nachtzeit fuhren Schwester Protasia mit ihrem grünen Herkules-Mofa oder Schwester Bertilla mit dem Fahrrad bei jedem Wetter zu den Kranken und Sterbenden. Durch ihren tiefen Glauben haben sie nicht nur Hilfe in der Pflege und in der Sterbebegleitung gegeben, sondern auch geistlichen Beistand geleistet. Meistens hat es die Krankenschwester zuerst erkannt, wenn es an der Zeit war, den Priester zu den Sterbenden zu rufen. Die Krankenschwestern verbrachten oft den ganzen Tag oder die ganze Nacht bei den Sterbenden. Als im Mai 2001 die Schwesternstation in Weiher geschlossen wurde, sagten viele Bewohner von Weiher, dass sie nun Angst vor ihrer Sterbestunde hätten, weil es den Beistand der Schwestern nicht mehr gab.

Pfarrer Lienhard, der von Juni 1885 bis Juli 1896 in Weiher war, schrieb 1896 in seinen Aufzeichnungen: „Bei einem Versehgang kommen die Leute aus der Nachbarschaft des Kranken ins Krankenhaus, um an der Versehung teilzunehmen und auch um den Kranken zu besuchen“.

Wenn einem der Pfarrer mit dem Messdiener oder Mesner auf dem Weg zu dem oder der Sterbenden begegnete, um die Letzte Ölung zu bringen, war es üblich, dass man niederkniete, um ein „Vater unser“ für den Sterbenden zu beten. Der Pfarrer trug eine Stola und hatte in einem kleinen Etui das Allerheiligste, eine Hostie, bei sich. Der Messdiener trug eine Laterne mit Kerze. Oben an der Laterne hing ein Glöcklein. In den späteren Jahren wurde dieses vom Mesner getragen. Manche Frauen flohen, wenn sie das Glöcklein hörten, schnell hinter das Hoftor, damit sie beim Niederknien auf der damals noch nicht asphaltierten Straße ihre Kleider nicht schmutzig machten. Dies berichteten Zeitzeugen, die das als Kind noch gesehen haben.
Der Versehgang zu Fuß endete, als die Ortspfarrer über ein Auto verfügten.

Noch heute gibt es in vielen katholischen Haushalten eine Versehgarnitur, die vom Priester zur Krankensalbung benutzt wurde (siehe Foto). Wenn der Priester einen Sterbenden zu einem Versehgang aufsuchte, hatte seine Familie die Versehgarnitur oftmals schon neben dem Bett bereitgestellt. Die Versehgarnitur bestand aus einem Sterbekreuz, Mundtuch mit dem gestickten Aufdruck „Jesu-Heiland-Seligmacher“, Standkreuz, Kerzen und Schalen mit Salz für den Priester, Krankenöl, Weihwasser, Wattebäusche und Altartuch.

War der Kranke verstorben, hat der Totengräber („Dodagräwa“) die Leichenschau vorgenommen, da damals noch kein Arzt in Weiher praktizierte. Um den Tod festzustellen, so berichteten Zeitzeugen, hielt noch der letzte Totengräber und Leichenbeschauer Josef Schäfer („d’Leichabschauer“) ein mit Wasser gefülltes Glas an die Halsschlagader des Verstorbenen. Wenn sich das Wasser nicht bewegte, war dies ein Zeichen dafür, dass der Tod eingetreten war. Auch eine bewegungslose Feder oder ein nicht beschlagener Spiegel vor dem Mund waren Zeichen dafür, dass die Atmung ausgesetzt hatte. Gelegentlich prüfte man mit der Feder auch am großen Zeh, ob noch Reflexe vorhanden waren.

Nachdem der Tod eingetreten war, hat man sofort ein Fenster geöffnet. Dieser Brauch entstand aus der Vorstellung, dass die Seele des Verstorbenen in den Himmel entweichen kann. Auch heute noch wird dieser Brauch fortgeführt.

Den Toten wurde, wenn nötig, als Zeichen des Respekts bzw. um dem oder der Verstorbenen ein würdevolles Aussehen zu geben, mit einem Taschentuch oder einem Schal die Kinnlade hochgebunden, um den Mund geschlossen zu halten, wenn die Leichenstarre einsetzte.

Über das Ableben wurde als erster der Pfarrer informiert, der den Namen des Verstorbenen in der Messe verkündete. Auch die Nachbarn wurden informiert, die dann, gerade in Zeiten, als es noch keine Traueranzeigen gab, die Aufgabe übernahmen, für die Verbreitung der Todesnachricht zu sorgen. Im Weiherer Dialekt konnte man auch folgendes hören: „Hasch schunn gherd, d’Marie isch gschdorwa! Wais ma schunn, wann d’Leichd isch? Des net, awer sie liegt schunn in da Dodalad, sie isch schunn eigsargt!“

Fortsetzung folgt.

 

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