Beate Harder | Oktober 2024

Mit der Christianisierung entstand bei den Gläubigen der Wunsch, möglichst dicht am geweihten Altar und den Reliquien begraben zu werden, um der Auferstehung teilhaftig zu werden. Bestattungen fanden deshalb in den und um die Kirchen statt. Die Bestattung in Kirchen wurde um 1800 aus hygienischen Gründen aufgegeben. In vielen Dörfern haben sich Friedhöfe rund um alte Dorfkirchen bis heute erhalten. In der ländlichen Gesellschaft bildete der Kirchhof im Mittelalter, und auch noch in der Frühen Neuzeit, den typischen Begräbnisplatz.

Vor allem ab dem Beginn des 19. Jahrhunderts wurden insbesondere in den im Zuge der Industrialisierung rasch wachsenden Dörfern die Kirchfriedhöfe geschlossen, größtenteils aus hygienischen Gründen, oftmals auch aufgrund von Überfüllung. Mit der Einebnung der aufgegebenen Kirchfriedhöfe wurde zudem zusätzlicher öffentlicher Raum für die Weiterentwicklung oder Neuanlage von Straßen oder Plätzen geschaffen.

Auch in Weiher wurden die Gläubigen bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts in unmittelbarer Nähe der alten mittelalterlichen Kirche (1440) bestattet. Auf einer alten Ansicht aus dem Jahre 1755 ist dies gut zu sehen. Die alte Friedhofsmauer, die die komplette Kirche umgeben hat, ist heute noch auf ca. drei Metern zu sehen.

Ansicht Weiherer Kirche aus dem Jahre 1755 (Bild: Archiv)

Vermutlich wurde seit Beginn des 19. Jahrhunderts auf dem neuen Friedhof in der Hirschstraße bestattet. Allerdings hat man bereits 1840 in einem Schreiben an das „Großherzoglich Badisch Oberamt Bruchsal“ um Erlaubnis gebeten, „ein Viertel Acker zur Vergrößerung eines Begräbnisplatzes in Weiher“ erwerben zu dürfen.

Die drei historischen Grabsteine, die an der Mauer der Einsegnungshalle einen würdigen Platz gefunden haben, sind ein letzter Überrest des alten Friedhofes um die St. Nikolauskirche von Weiher. Zunächst im Friedhof auf den Gräbern, wurden sie anschließend an der Kirchhofmauer eingelassen und standen zuletzt an der Außenseite der Apsis im Pfarrgarten.

Eines der Steinkreuze gibt Zeugnis eines ganz besonderen Geschehens. Auf dem restaurierten Kreuz findet sich heute die folgende Inschrift:

Grabstein Andreas Beker, vor und nach der Restaurierung (Bilder: Heimatverein)

“HIR LICH BEGRABEN DER ANDREAS BEKER WEBERMEISTER VON WEIER DEN DIE FELTTHITTEN IM FELT HAT DOT GESCHLAGN GOTT GEB IM DIE EWIGIE RUH 1778“

Entgegen dieser Darstellung, die für einen Unfall spricht, findet sich im Heimatbuch von Weiher des Historikers Haselier auf Seite 171 der Text: “Einen Webermeister Andreas Becker aus Weiher haben die Feldhüter im Jahr 1778 im Feld erschlagen, ….” Dies würde dem Text auf dem Kreuz klar widersprechen.

Die dritte These bringt Michael Prestel, Verfasser des Sippenbuchs der Familie Etzkorn, ins Spiel und damit einen ganz neuen Aspekt. Auf Seite 24 bemerkt er: „… Doch trotz aller Vorsichtsmaßnahmen wurde in Weiher am 22. Juni 1787 das Versteck entdeckt und der zur Bewachung eingeteilte Andreas Becker bei der “Welschkornhütte” totgeschlagen. … zum Gedenken an diesen Mann, der sein Leben gab für seine Brüder ….“

Weiterhin erklärt er, dass das Ende des 18. Jahrhunderts durch unruhige Zeiten gekennzeichnet war. Als Vorzeichen der Revolution zogen „Mord- und Räuberbanden“ durch die Region. Zum Schutz der Einwohner stellten die Dörfer Tag- und Nachtwachen auf. Die Bewohner wussten, dass zuerst die Dörfer Ziel der Überfälle waren. Sie hatten vorgesorgt und ihre Vorräte, vor allem Mais (Welschkorn) an versteckt gelegene Plätze gebracht. In unwegsamen und verwilderten Gewannen waren Hütten errichtet worden, in denen ihre Habe lagerte. Dort wurde am 22. Juni 1787 der Webermeister Andreas Becker bei der Feldhütte totgeschlagen.

Um dem Geschehen an diesem 22. Juni 1787 auf die Spur zu kommen, wurde die Eintragung des Todes im Geburts- und Sterbebuch der Gemeinde Weiher, das in Freiburg im Erzbischöflichen Ordinariat archiviert ist, angefordert.

Auszug aus dem Sterbebuch 1787 (Erzbischöfliches Ordinariat Freiburg, Archiv).

Anno Domini millesimo septingentesimo octogesimo septimo die vigesima secunda mensis junii per tristem ladrem / cadrem (oder: latrem / catrem)  ruri (ländlichen) obiit Andreas Becker hujus loci Weiher civis et textor tintarius # sine sacramentis annorum circiter triginta et die sequenti a me parocho infra scripto in caemeterio ecclesiae parochialis as Sanctum Nicolaum loci Weiher sepultus est. Ita testor Joannes Valentinus Anton ad Sanctum Nicolum loci Weiher parochus.

Unser Mitglied, der Historiker Bernhard Stier hat uns die folgende Übersetzung erstellt, die von Frau Birgit Bader, Lateinlehrerin am Justus-Knecht-Gymnasium Bruchsal, bestätigt wurde:

Anno domini 1787 am 22. Juni ist der durch einen gefährlichen Landräuber zu Tode gekommene Andreas Becker aus diesem Ort Weiher, Bürger und Leinweber, Ehemann der Maria Eva geb. Lang, ohne Sakramente im Alter von ungefähr 30 Jahren von mir, dem unten genannten Pfarrer, auf dem Friedhof der Pfarrkirche St. Nikolaus in Weiher begraben worden. Dies bestätigt Johann Valentin Anton, Pfarrer zu St. Nikolaus in Weiher

Wir dürfen davon ausgehen, dass der örtliche Pfarrer bestens über die Todesursache Bescheid wusste und somit ist die Aussage von Michael Prestel bestätigt.

Vermutlich ist die Inschrift des Kreuzes bei der Restaurierung durch den sehr schlechten Zustand falsch übertragen worden. Auch der Übersetzungsfehler im Heimatbuch ist nachvollziehbar, wenn davon ausgegangen werden kann, dass die lateinische Schrift von den Pfarrern nicht komplett beherrscht wurde und dazu kommt noch die Schwierigkeit des Entzifferns des Schriftbildes.

Grabsteine an der Aussegnungshalle auf dem Friedhof in Weiher (Bild: Heimatverein).

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