Unser Mitglied Ulrich Grande aus Ubstadt konnte bei Recherchen eine besondere Entdeckung machen. Auf der Titelseite der “Neuen Münchener Zeitung” erschien im Jahre 1850 ein Bericht über die Einweihung des Denkmals für die gefallenen preußischen Soldaten bei Ubstadt. Wir danken Ulrich Grande sehr herzlich für die folgende Abhandlung. Hier sein Bericht:


 

Von Ulrich Grande | Mai 2022

Wer den Ort Ubstadt in Richtung Bruchsal verlassen hat, ahnt zunächst nicht, auf welch historischen Pfaden man sich hier bewegt. Die Bundesstraße 3 grenzt den lieblichen Kraichgau von der sich öffnenden Rheinebene ab, die hier, wenn eine klare Sicht dies zulässt, durch die Berge des Pfälzer Waldes eine westliche Begrenzung findet. Hat man kurz nach der Ortsgrenze die erste Anhöhe erreicht und wendet den Blick zurück, sieht man bei guter Fernsicht bis zu den bewaldeten Höhenzügen des sich am Horizont abzeichnenden Odenwaldes, die Bergstraße lässt grüßen.

Schon 1865 war der Hinweis in den „Augsburger Neuesten Nachrichten“ auf eine Ausstellung im dortigen Kunstverein u. a. „…eine Landschaft bei Ubstadt, gemalt von Fahrbach“, zu lesen. Vielleicht war diese schöne Aussicht zum Sujet geworden.

Blick vom Preußendenkmal 2022, Foto: U. Grande

Wenige Meter neben der Straße steht hier ein eher bescheidenes Kriegerdenkmal: „die Preußensäule“. Die Säule wird von einer klassischen attischen Basis im römischen Stil getragen, der glatte Schaft bricht oben ab und trägt somit kein Kapitell. Aus der Nähe kann man noch heute die Namen der Gefallenen auf dem Sockel erkennen:

Im Gefecht am 23. Juni 1849

fielen hier für’s Vaterland

vom Preuss. Ulan. Regt. Nr. 8

Leutn. EMIL VON BERLEPSCH

Ulan FRANZ HUBERT GREVEN

Ulan ANTON HILZ

Ulan JOH. PETER ADAMS
Ehre ihrem Andenken

Auf dem moosbedeckten Steinpodest finden wir Ort und Tag des Gefechts:

Gefecht bei Ubstadt den 23ten Juni 1849.

Ubstadt – Preußensäule am Radweg Richtung Bruchsal 2021, Foto: Archiv HV

Genau an diesem Denkmal, hier am Scheitelpunkt dieser Anhöhe, fand vor 172 Jahren, am 5. Mai 1850, ein bemerkenswertes militärisches Zeremoniell statt, „eine schmerzvoll erhebende Feierlichkeit“, wie die „Neue Münchener Zeitung“ vom 10. Mai 1850 (und andere süddeutsche Zeitungen) auf ihrer Titelseite zu zitieren wusste: die Einweihung eines Denkmals für die an dieser Stelle gefallenen preußischen Soldaten. Die „Karlsruher Zeitung“ hatte zuvor am 8. Mai 1850, ebenfalls auf der Titelseite, weitgehend textgleich mit gewählter Diktion, eben aus der damaligen politisch-journalistischen Sicht, ausführlich darüber berichtet.

„Neue Münchener Zeitung. Freitag den 10. Mai 1850. Deutschland. Baden. – Mannheim, 6. Mai”
„Bei U b s t a d t fand gestern zu Ehren der daselbst gefallenen Uhlanen vom 6. preußischen Uhlanenregiment eine schmerzvoll erhebende Feierlichkeit statt, zu welcher sich Tausende von Menschen von nah und fern eingefunden hatten, die Einweihung des Monuments nemlich, welches jenen Opfern unseres unseligen Revolutionskrieges von dem Regiment gesetzt worden war, und zwar an demselben Platze, wo dieselben den Tod fanden. Des Morgens stellte sich die kgl. preußische und großh. badische Garnison in der Oberamtsstadt Bruchsal auf und marschirte nach geschehener Inspektion der Truppen … zu dem Orte der Feierlichkeit … Auf der Anhöhe von Ubstadt bildeten sämmtliche Truppen um das oben erwähnte Denkmal, welches eine abgebrochene Säule mit einem Lorbeerkranze etc. darstellt, ein Viereck und warteten hier auf die Ankunft der königl. Preußischen Generale v. Brun und v. Willisen. Bei dem Monument war ein Altar errichtet, militärische geschmückt mit preußischen und badischen Fahnen; dort empfing der katholische und protestantische Geistliche nebst dem Bürgermeister und Gemeinderath die von Karlsruhe gekommenen Generale v. Brun und v. Willisen, nach deren Ankunft das Sängerchor des 30. Preußischen Linien-Infanterieregiments die Feierlichkeit eröffnete. Die Musik des 3. Badischen Reiterregiments spielte hierauf einen Trauermarsch, dessen wehmüthig schallende Töne die Herzen aller Anwesenden im tiefsten Innern erschütterten. Auf den Trauermarsch folgte abermals Gesang von Seiten des Ubstadter Liedervereins und hierauf eine der Feier angemessene Rede durch den katholischen Geistlichen, einen ehrwürdigen Greis, seit 50 Jahren schon in Amt und Würde, der bei dieser Gelegenheit in scharfen Zügen des fluchwürdigen Beginnens unserer Revolutionshelden und der Folgen ihres schmählichen Verrats an Fürst und Vaterland gedachte und wohl manches verhärtete Gemüt der Reue zugänglicher machte. Nach dieser ausgezeichneten Rede sang die Schuljugend ein passendes Kirchenlied; der eben erwähnte katholische Priester betete das Vaterunser, welches von wiederholtem Gesange der Ubstadter Jugend, dem Schlusse der Kirchenfeier, gefolgt war. Zu Ehren der gefallenen Preußischen Krieger sprach sodann noch General v. Brun einige passende kriegerisch kräftige Worte und forderte zur letzten Ehrenerweisung auf. Die aufgestellten 2 Kompagnien vom preuß. 30. Linien-Infanterieregiment machten hierauf „fertig“ und gaben 3 Salven, eben so die 5 badischen Reiterschwadronen. Sämmtliche Truppen marschirten dann nach Ubstadt zurück, um von da aus vor dem um das Denkmal postirten Stabe zu defilieren. Die Musik des 3. badischen Reiterregiments spielte bei dieser Gelegenheit für beide Truppentheile den Defilirmarsch. Damit schloß die schöne Feier, und die Truppen kehrten in ihre Garnison zurück … So ehrten preußische und badische Krieger ihre in dem Treffen bei Ubstadt gebliebenen Kameraden: aber auch ihnen, die diesen Tag überlebt hatten, widerfuhr die gebührende Auszeichnung, indem 3 Unteroffiziere vom 6. preußischen Uhlanenregiment behufs einer Betheiligung an dem schönen Trauerfeste nach Bruchsal kommandirt worden waren, von denen Einer nicht weniger als 7 Wunden davon getragen hatte, 2 Schußwunden, 3 Bajonettstiche und 2 Wunden mittelst einer Sense“. (Text gekürzt)

Die Zeit ist über die Form dieser martialisch-militärischen Gedenkrituale hinweggegangen, Pathos und Bedeutungsschwere dieser Sprache sind uns heute im zivilen Leben eher fremd, Freiheit und Demokratie haben ja schließlich im folgenden Jahrhundert gesiegt. Das Denkmal „Preußensäule“ (denk-mal!) erinnert also in besonderer Weise an den historischen Sachverhalt und mahnt auch zum engagierten Verteidigen unseres demokratischen Rechtsstaates.

Tafel des HV Ubstadt-Weiher “Preußensäule” am Radweg Richtung Bruchsal 2021, Foto: Archiv HV

Menschlich nötigt uns das Schicksal aller Gefallenen dieses Gefechts Respekt und ein würdevolles Gedenken ab, starben doch alle in dem unerschütterlichen Glauben, für eine gerechte Sache zu kämpfen.
Den hier sehr zahlreich gefallenen Freischärlern und ihrem geistigen Vermächtnis verdanken wir aber letztlich unsere heutige freiheitliche Grundordnung und verharren deshalb im Stillen einen demütigen Moment lang – als ganz persönlichen Hymnus des Dankes – vielleicht an dieser Stelle bei Ubstadt.

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