Von Konrad Kröll

In der Großgliederung der deutschen Mundarten gehört unser Sprachraum zum Südfränkischen. Er grenzt im Süden an das Oberrheinallemannisch, im Osten an das Schwäbische und im Nordwesten an das Rheinfränkisch-Pfälzische.

Im Nordwesten wird die Sprachgrenze durch die pf/p-Linie markiert. (Apfel – Appl, Pfeif – Peif, Pfalz – Palz). Die gleiche Sprachgrenze trennt auch haaiß (heiß) und hääß, iich (ich) und iisch. Nach Südosten hin trennt uns z.B. die Aussprache miid/miad (müde), mir laafe/mir laufed (wir laufen), Riime/Re-äme (Riemen) oder gwesst/gwä (gewesen).

Auch innerhalb unseres engeren Sprachgebiets gibt es durchgängige Unterschiede. So sagt man im westlichen Kraichgau für Sonne, Nase und Brille „Sunn“, „Naas“ und „Brill“, im östlichen Kraichgau „Sunnä“„ Nasä“ und „Brillä“.

Ein Mundartsprecher, der „Sunn“, „Pfeif“ und „haaiß“ (heiß) sagt, kommt ziemlich genau aus unserem Sprachgebiet im westlichen Kraichgau.

Nicht nur die Aussprache unterscheidet sich. Es gibt auch wortgeografische Unterschiede. So sagt man zu „schimpfen“ im Norden unseres Gebiets „schänne“, im Osten „schimbfe“ und bei uns „schelde“. Wenn jemand den Kopf angestoßen hat, bekommt er bei uns eine „Bobbl“, bei den Sprachnachbarn aber ein „Horn“.

Die Vielfalt der mundartlichen Lautung und des Wortschatzes sind das Ergebnis einer jahrhunderte langen Entwicklung. Mundarten sind also nicht heruntergekommenes oder schlechtes Hochdeutsch. Sie haben im Verhältnis zum Hochdeutschen eine viel längere und eigenständigere Geschichte.

Die Mundarten der verschiedenen Landschaften unterscheiden sich nicht nur durch Lautung, Grammatik und Wortschatz, sondern auch durch Sprachmelodie, Sprachrhythmus und Sprechtempo. Die verschiedenen Laute sind mit den vorhandenen Buchstaben nicht immer so genau zu bezeichnen, dass der Leser sie mit Sicherheit richtig aussprechen kann. Das gilt vor allem dann, wenn er nicht aus unserem Dialektbereich kommt.

Sowohl die Dialekte als auch das Hochdeutsche haben sich im Laufe der Zeit immer wieder verändert und tun das auch heute noch. Vor der Industrialisierung unseres Raums waren vor allem die Dörfer ziemlich abgeschlossene soziale Einheiten. Außer den Pfarrern und den Lehrern ließen sich nur selten Fremde mit anderen Sprachgewohnheiten im Dorf nieder. Die meisten Menschen waren im eigenen Dorf in Landwirtschaft und Handwerk tätig. In die Stadt kam man nur recht selten. Urlaub in der heutigen Form, verbunden mit Reisen, gab es noch nicht. Fast alle Kinder gingen im eigenen Dorf in die Volksschule. Nur wenige besuchten eine weiterführende Schule in der Stadt.

Bis in die dreißiger Jahre gab es in den Dörfern fast keine Telefone, Radios oder Autos. Durch die sehr eingeschränkte Mobilität der Menschen und das Fehlen der modernen Medien, waren mundartfremde Einflüsse auf den lokalen Dialekt relativ gering. Zahlreiche Sprachunterschiede, sogar zwischen Nachbarorten, konnten sich so über Jahrhunderte entwickeln und erhalten.

Die Städte waren im Vergleich zu den Dörfern mehr fremden Einflüssen ausgesetzt. Deshalb unterscheiden sich die Stadtdialekte meist auch etwas von den dörflichen Dialekten des Umlandes.

Heute gibt es in jedem Haushalt – sowohl im Dorf als auch in der Stadt – Fernsehen und Radio, wo den ganzen Tag fast ausschließlich Hochdeutsch zu hören ist. Die meisten Menschen arbeiten außerhalb ihres Wohnortes. Jugendliche besuchen Bildungseinrichtungen oft weit weg von zu Hause.

Die gestiegene Mobilität in der Gesellschaft hat in den letzten Jahrzehnten zum Zuzug vieler Neubürger in die Dörfer geführt.

Durch diese Veränderungen sind Dialektsprecher heute viel mehr gezwungen, sich mit Menschen anderer Sprachgewohnheiten zu verständigen. Viele haben gelernt – abhängig vom Gesprächspartner – zwischen Dialekt und Hochdeutsch zu wechseln.
Diese und andere Faktoren beeinflussen die lokalen Dialekte. Regionale Unterschiede gleichen sich an. Vor allem unter den Jüngeren entwickelt sich allmählich eine einheitliche Umgangssprache, die zwar noch deutlich dialektgefärbt ist, sich aber langsam dem Hochdeutschen nähert.

Viele dialekttypische Lautformen, Begriffe und Redewendungen gehen dabei verloren.
Dort, wo sie noch stark genug ist, nimmt die Mundart aber auch moderne Begriffe auf und passt sie ihren eigenen Sprachformen an.

Viele Mundartwörter gehen und gingen auch deshalb verloren, weil die Gegenstände und Tätigkeiten, die sie bezeichnen, im täglichen Leben kaum noch oder überhaupt nicht mehr vorkommen. Das gilt vor allem für Begriffe aus dem traditionell bäuerlichen Bereich.

 

Beispiele

eimeere: Brotteig mit Hefe oder Sauerteig ansetzen
Grumbiereschdembfl: Gerät zum Zerdrücken von gekochten Kartoffeln
Gsied: Spreu, die von der Dreschmaschine ausgeblasen wird
Karschd: Hacke
Laabdaag: Laubtag (Tag, an dem die Bauern im Wald Laub als Streu für ihre Tiere holen durften)
Laidsl: Leitseil zum „Lenken“ einer Kuh oder eines Pferdes vor einem Wagen
miggä: bremsen (Fuhrwerk)
Millichhaisl: Milchannahmestelle
Schwefflschnied: Schwefelstreifen zum Ausräuchern von Weinfässern
Wengaddschdiggl: Weinbergspfahl

 

Literaturquellen

Norbert Feinäugle/Thomas Eha: Mei Sprooch-dei Red, 1989
Kurt Bräutigamm: Daheim, ortstypische Mundarten, 1986

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