
Als am 16. März 1936 die kleine Leonie in Weiher das Licht der Welt erblickte, waren die Eltern, Amandus Lang und Anna geb. Holzer, nach der Geburt ihrer beiden Söhne sehr glücklich. Die Familie ernährte sich durch die Landwirtschaft mit Schweinen und Kühen und der Arbeit der Mutter in der örtlichen Zigarrenfabrik. Ab 1936 wurde Amandus zusätzlich vom Badenwerk mit dem Ablesen der Hausstromzähler im ganzen Dorf Weiher betraut. Das Stromgeld wurde von ihm in einem Saal des Rathauses eingezogen.
Als die Zeichen des Nationalsozialismus langsam auch in den stillen Dörfern der Hardt aufzogen, war Amandus Lang, Angehöriger der „Zentrums-Partei“, einem Vorläufer der heutigen CDU, wenig begeistert. Als er von einem strammen Parteifreund denunziert wurde, weil er keine Nazifahne am Wohnhaus angebracht hatte, entgegnete er, dass dieser doch drei Fahnen aufgezogen hätte, ob das nicht ausreichen würde. Er jedenfalls habe kein Geld dazu. Zum guten Glück kam er nochmals ohne Strafe davon, dem Umstand geschuldet, dass Weiher zu keiner Zeit eine Nazi-Hochburg war.
Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges 1939 ging es in Weiher noch eine ganze Weile ruhig zu. Allerdings beunruhigte die Einberufung vieler junger Männer zum Wehrdienst die Menschen. Mit jedem weiteren Tod eines Vaters, Sohnes oder Ehemanns schlich sich das Elend des Krieges immer mehr in die Familien. Nach und nach wurden in den 1940er Jahren auch immer ältere Männer zum Wehrdienst einberufen. So bestand auch für Amandus Lang, damals bereits über 40 Jahre alt, die Gefahr, noch an die Front zu müssen. Eine gütige Fügung des Schicksals ermöglichte es ihm, als Heizer bei der Bundesbahn und somit in einer kriegswichtigen Aufgabe unterkommen zu können. Ganz ungefährlich war diese Arbeit nicht, er berichtete von häufigen Bombardierungen und manchmal wusste die Familie einige Tage nichts über seinen Verbleib.
Im letzten Jahr des Krieges mussten auch die Bewohner von Weiher immer öfter nach einem Fliegeralarm in die Keller oder Luftschutzbunker. Familie Lang vertraute dabei auf ihren eigenen Keller. Leonie kann sich noch gut an die Nacht erinnern, als sie als Kind mit Mutter und Brüdern in den Keller geflüchtet ist und am Himmel ein brennendes Flugzeug zu sehen war, das die Nacht komplett erleuchtete. Am nächsten Tag erfuhr man, dass es eine britische Maschine war, die östlich von Weiher, im Gewann „Weidlach“, abgestürzt war. Ein Mitglied der Besatzung hatte überlebt und rettete sich nach Weiher.
Eine weitere schlimme Erinnerung war die Bombardierung von Vater Amandus durch britische Bomber, als er zusammen mit zwei Buben mit Pflug und Kühen im Gewann „Heiligenäcker“ arbeitete. Nur ein beherzter Sprung in den Graben rettete dabei den dreien das Leben, allerdings hatten die Kühe nicht so viel Glück. Hungrige Soldaten bedienten sich anschließend am Fleisch der toten Tiere.
Während des Krieges war die Nahrungsversorgung sehr von den Dörfern abhängig. Jeglicher Ertrag wie Milch, Eier, Getreide und Fleisch war streng reglementiert und musste abgegeben werden. Trotzdem waren die Bewohner der Dörfer noch relativ gut versorgt und mussten keinen Hunger leiden.
Leonie und ihre Mitschüler, die 1945 zur Erstkommunion gehen sollten, wurden in einer Notkommunion am Gründonnerstag gesegnet. Zu groß war die Überlebensangst der Bevölkerung. In einem kleinen feierlichen Rahmen standen die Kinder in ihrer Straßenkleidung um den Altar und erhielten die erste heilige Kommunion. Nach dem Einmarsch der Franzosen am Ostermontag wurden die Kinder dann wie geplant am Weißen Sonntag nochmals gesegnet.
Nach dem Durchzug der marokkanischen Soldaten im Heer der Franzosen, die alles raubten, was nicht niet- und nagelfest war und auch vor den Mädchen und Frauen der Dörfer nicht Halt machten, waren die Weiherer Bewohner sehr besorgt, als einige Wochen später amerikanische Soldaten das Dorf besetzten. Schnell stellte sich aber heraus, dass diese die Bevölkerung anständig und rücksichtsvoll behandelten.
Einige Bewohner ausgewählter Gebäude in der Weiherer Forster Straße mussten allerdings ihre Häuser räumen und wurden vorübergehend in den gegenüberliegenden Gebäuden untergebracht, um den Offizieren Quartier zu bieten.
Die freundlichen Soldaten verteilten gerne Schokolade, Kaugummi und vor allen Dingen Orangen, die für die Weiherer Kinder bis zu diesem Zeitpunkt noch völlig unbekannt waren.
Bald begann, initiiert durch die amerikanische Besatzung, die „Schulspeisung“, um bedürftigen Kindern eine ausgewogene Mahlzeit bieten zu können. Leonie war sehr traurig, dass sie nicht dazu gehörte, da ihre Eltern selbst Landwirtschaft betrieben. In dieser Zeit waren auch mehrere Kinder aus dem ausgebombten Bruchsal bei Familien in Weiher untergebracht. So durfte sich das Mädchen Inge bei der Familie Lang mehrere Wochen erholen, woraus sich ein langjähriger freundschaftlicher Kontakt ergab.
Nach Abzug der Amerikaner konnten die Bewohner zurück in ihre Häuser ziehen und langsam kehrte in die meisten Familien der Alltag wieder ein. Leider mussten aber noch viele Familien auf die Heimkehr der Väter, Söhne oder Ehemänner aus der Gefangenschaft warten. Vielen aus der Gemeinde war diese jedoch nicht vergönnt.
Autorin: Beate Harder mit den Erinnerungen von Leonie Just (verstorben am 4. Dezember 2024)