Zeuterner Sagen und Geschichten: Der Brunnengeist vom Scharfen Eck

Zeutern im Nebel im Jahr 2020. Foto: Bernhard Schäfer
Zeutern im Nebel im Jahr 2020. Foto: Bernhard Schäfer

Die nachstehende Sage hat unser Mitglied Theodor Stengel von älteren Zeuterner Einwohnern erzählt bekommen und gibt sie nachstehend wieder:

„Die Geschehnisse, die sich vermutlich um das Jahr 1890 kurz vor Allerheiligen zugetragen haben, ließen manchem Zeuterner Einwohner vor Angst und Schrecken das Blut in den Adern gefrieren.

Es geschah in einer Zeit, als die Herbstnebel von der Hardt das Katzbachtal heraufzogen und die uralten, von Fachwerkhäusern gesäumten Gassen Zeuterns geisterhaft durchschweiften. Einer Zeit, in der der neue Wein in den Kellern gärte und durch sein Blubbern unheimliche Geräusche machte. Dessen Gärgase sich den Weg durch die modrigen Ritzen der alten Dielenböden suchte, um in Stuben und Schlafkammern die Köpfe der Bewohner gar leicht zu vernebeln. Also in einer Zeit, wo die Küche zu einem ungemütlichen Aufenthaltsort wurde, da der Herbstwind eiskalt durch den offenen Rauchfang pfiff. Deshalb brutzelte man die allabendliche Mehlsuppe, die man mit „gschwellda Grumbiara und Bibbeleskäs“ aß, in zweitürigen Kastenöfen in den Stuben.

Beim abendlichen Kühemelken war es draußen bereits Nacht und neblig. Da es damals noch keine Milchzentrale am Ort gab, wurde die Milch von den halberwachsenen Kindern einer Familie mit einem kleinen Pferdewägelchen zum Weiterverkauf abgeholt. Die finstere Nacht erhellten nur die kaum lichtgebenden Petroleumstraßenlaternen, die vom „Öl-Stiel“, wie man ihn in Zeutern nannte, (Laternenmann) mit Hilfe einer kleinen Leiter angezündet wurden.

Diese Kinder sollen die Ersten gewesen sein, denen das Geistwesen beim Dorfbrunnen am Scharfen Eck begegnete. Der Geist schwebte scheinbar jeden Abend, geheimnisvoll größer und kleiner werdend, um den in Nebel gehüllten Dorfbrunnen. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die schaurige Geschichte und ein Gruseln erfasste das sonst so beschauliche und aufgeklärte Zeutern. Man hatte ja von Landshausen bereits die unheimliche Kunde vernommen, dass dort des Nachts ein blutüberströmtes Geistwesen ohne Kopf am Röhrenbrunnen seine mit Menschenblut besudelten Schlachtermesser abwäscht und so der Landshäuser Bevölkerung das Gruseln lehrte.

Eltern verboten ihren Kindern, des Abends das Haus zu verlassen und Frauen trauten sich längst nicht mehr aus dem Haus. Schließlich waren auch jene überzeugt, die normalerweise nicht mehr an Geister glaubten. Viele suchten im Gebet zum Heiligen Joseph, dem Schutzpatron gegen böse Geister, ihre Zuflucht.

Die Frauen waren es, die ihre Männer beknieten, dem Spuk ein Ende zu setzen und eine Geisterbeschwörung durchzuführen. Tatsächlich fanden sich drei besonders mutige Männer aus dem Oberdorf, die des Nachts, als der Geist wieder erschienen war, mit sicher mulmigen Gefühlen zur Tat schritten, während ihre Familien vor Angst in ihren dämmrigen Stuben, bei brennendem Wachsstock, im Gebet verharrten.

Die drei Hünen vom Oberdorf näherten sich der furchteinflößenden Erscheinung und sprachen ununterbrochen die Beschwörungsformel:

„Ischs an guda Gaischd, därafa läwa, ischs an besa Gaischd, mussa schdärawa.“ Was bedeutet: „Ist es ein guter Geist, darf er leben, ist es ein böser Geist, muss er sterben.“

Beim Geistwesen angekommen, erhob dieses drohend die Arme und mit lauter schriller Stimme herrschte es die drei Tapferen an und schrie aus vollem Hals:

„Machd un gehd hóm, i will doch numma mói haiaricha Waibslaid engschdich macha ass dass se owads dahóm blaiwa.“ Dies bedeutet: „Macht und geht nach Hause. Ich will doch nur meinen pubertären Töchtern etwas Angst einjagen, damit sie abends zuhause bleiben.“

So hat sich das furchterregende Geistwesen am Ende als eine um ihre Töchter sehr besorgte Mutter entpuppt.“

Ob die Töchter des vermeintlichen Geistwesens fortan abends zu Hause blieben, ist leider nicht überliefert, aber auch wohl kaum vorstellbar.

Zu dieser Sage ist uns keine weitere Version bekannt.

Mit dieser Sage endet vorläufig unsere Reihe Zeuterner Sagen und Geschichten anlässlich des Jubiläums 1250 Jahre Zeutern. Zwei Sagen werden zur Zeit noch recherchiert: Geheimgänge unter der Erde in Zeutern und der Feurige Mann vom Gewann Geishecke. Wer dazu weiß möge sich bitte mit unserem Mitglied Theodor Stengel, Tel.Nr. 07253/6818 in Verbindung setzen.

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