Tod und Begräbnis in alter Zeit in Zeutern   – Teil 1

Schwesternhaus in Zeutern mit Statue des Heiligen Josef. Foto: Theodor Stengel
Schwesternhaus in Zeutern mit Statue des Heiligen Josef. Foto: Theodor Stengel

Unser Ortsteilvertreter von Zeutern und Mundartbeauftragter, Theodor Stengel, hat Informationen zusammengetragen, die ab Ende des 19. Jahrhunderts einen Einblick geben in die frühere Sterbe- und Begräbniskultur in Zeutern. Diese hat er in seinem nachstehenden Bericht zusammengefasst, wofür ihm der Heimatverein Ubstadt-Weiher sehr herzlich danken möchte.

Hier sein Bericht:

Genau wie auch in Stettfeld und andernorts gab es früher bei uns in Zeutern weder einen Pflegedienst noch eine Leichenhalle. Wir hatten aber das Glück, vier katholische Schwestern vom Orden Sankt Josef des Klosters Sankt Trudpert im Münstertal zu haben, von denen zwei ehrenamtlich den Dienst der Krankenpflege ausübten. Dies waren Schwester Oberin Veronika und Schwester Euphrasia. Sie waren fachlich ausgebildet, wohnten in der oberen Etage des ehemaligen Kindergartens, wo es auch einen speziellen Raum für Verletzte und Kranke gab.

Als katholischer Zeuterner war man damals meistens im Vincentius-Verein, für dessen Mitgliedschaft man jährlich einen kleinen Betrag zu entrichten hatte. Es war aber die Versorgung aller gewährleistet.
Die Ordensschwestern betreuten und versorgten die Kranken in deren Häusern in mühevollster Hingabe und konnten aufgrund ihrer Erfahrung das Ableben von Schwerkranken meist Tage vorhersagen. In diesem Fall kam bis in die Mitte der 1950er Jahre, begleitet von einem Messdiener mit einer Schelle, wie sie heute noch bei der Wandlung benutzt wird, der Seelsorger, um den Kranken die Sterbesakramente zu bringen. Auf dem Weg läutete der Messdiener in kurzen Abständen, wobei die vorübergehenden Passanten aus Ehrfurcht eine Kniebeuge machten und sich bekreuzigten. Jüngere Burschen verschwanden allerdings beim Herannahen des Priesters oft gerne in einem Hof, um dem zu entgehen. Beim Eintreffen des Priesters hatte man im Krankenzimmer auf einem Tisch einen Altar mit Kruzifix, Kerzen, Weihwasser, Watte und Salz aufgebaut. Die Watte und das Salz dienten zur Reinigung der Hände des Priesters von Resten des geweihten Öls (Oleum Infirmorum = Öl der Kranken). Viele Familien besaßen einen kleinen, gepolsterten Fußschemel, oft mit Barockfüßen, der eigens dafür da war, dass der Priester bei einem Hausbesuch darauf knien konnte.

Wenige Familien besaßen eine spezielle Versehgarnitur, Kreuz mit Leuchter, die ausschließlich für die Krankenkommunion verwendet wurde.

Lag bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts ein Kind im Sterben, was damals häufig vorkam, und man wusste in seiner Verzweiflung keinen anderen Ausweg mehr, konsultierte man oft eine Frau, die des „Brauchens“, wie man es in Zeutern nannte, also des Gesundbetens, kundig war. Dann schickte man einen Knaben, oft älteren Bruder des Kindes, zum Katzbach, um in den drei höchsten Namen, also im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, mit einer „Boll“ Wasser zu schöpfen. Nachdem der Knabe das Wasser gebracht hatte, besprengte die Gesundbeterin das Kind, indem sie die Wiege mehrfach umrundete, wobei sie leise Gebetsformeln murmelte. Da man meistens nicht wusste, an was die Kinder schließlich dann doch gestorben waren, erklärte man sich den Tod mit einer der verschiedenen Formen von „Gichter“, damals der Kinderkrankheit schlechthin.

In Zeutern gab es den Spruch: „Alla Jóh a Kind un alla Jóh a Kindsleichdl.“

Wurde ein Säugling oder Kleinkind beerdigt, war es nicht üblich, den Leichenwagen zu bestellen, denn ein meist größeres Mädchen trug den kleinen Sarg mit einem sogenannten „Wisch“, einem Polster, auf dem Kopf in Begleitung des Priesters, der engsten Familie und oft den Kommunionmädchen des entsprechenden Jahres vom Trauerhaus zum Kirchhof.
Das erzählte mir eine ältere Verwandte, selbst dürfte sie Jahrgang 1900 gewesen sein, die im Alter von zwölf Jahren noch selbst ein verstorbenes Kind aus der Nachbarschaft auf den Kirchhof getragen hatte.

Lag ein Erwachsener im Sterben, wurde von den Angehörigen Tag und Nacht Wache am Sterbebett gehalten, wobei man betete und dem Sterbenden, meist auf Verlangen, ein sogenanntes „Sterbekreuz“, das sich die Person oft selbst beim Schmerzensfreitag in Zeutern oder in Walldürn gekauft hatte, in die Hände gab. Starb ein Mensch, betete man zunächst drei Sterbevaterunser, dann informierte man umgehend die Krankenschwester, den Priester sowie auch den Messner und den Leichenbeschauer. Meist war es eine der beiden Ordensschwestern, die mit einer Angehörigen den Toten wusch und ankleidete. Die dafür benötigten Sachen holte man in Zeutern „bei’s Fridolins“, dem heutigen Kaufhaus Michenfelder.

Jedoch gab es auch noch Leute, die sich wie in ganz früheren Zeiten noch zu Lebzeiten ihr Sterbehemd selbst angeschafft haben. Meine Urgroßmutter zum Beispiel hatte es ganz unten in ihrem Schrank verwahrt und zeigte es mir, für alle Fälle, als ich zehn Jahre alt war.

Der Verstorbene wurde dann in seinem Bett von der Schlafkammer in die Stube gestellt und dort aufgebahrt. Man schmückte ihn mit Rosmarinzweigen und jahreszeitlichen Blumen. In den gefalteten Händen hielt er sein Sterbekreuz und seinen eigenen Rosenkranz.

Der Leichenbeschauer war in Zeutern in damaliger Zeit Johann Michael Händel von der Grabenstraße. In meiner Kindheit wurde mir von verschiedenen älteren Leuten erzählt, dass man ganz früher den Tod eines Menschen überprüfte, indem man mit einem sogenannten „kleinen Stupfer“ in bestimmte Reflexzonen der Fußsohlen piekste. Später gab es die Methode mit dem Spiegel, den man vor Mund und Nase des Verstorbenen hielt. Wenn dieser nicht beschlug, war man sicher, dass der Mensch nicht mehr atmet.

In der Stube, in der ein Toter lag, hielt man die Uhr an. An einer unauffälligen Stelle platzierte man einen Eimer mit Wasser, das die Luft verbessern sollte. Wenn es im Sommer sehr heiß war, tupfte man den Verstorbenen mit Schnaps ab. Im Extremfall holte man Eisblöcke vom Eiskeller, die im Winter im Eisweiher beim Bruchgraben gebrochen worden waren und im Eiskeller in der Spermeler Hohl normalerweise den Sommer überdauerten. Dieses Eis stellte man in einem flachen Kübel unter das Totenbett.

Eine ältere Frau erzählte mir einmal die Geschichte, dass, wenn in einer Familie der Vater gestorben war, angeblich die Mutter in den Keller ging, um in den drei höchsten Namen an jedes Weinfass zu klopfen, damit der verbliebene Wein nicht schlecht werden sollte.

Am Totenbett stellte man eine Schale mit Weihwasser auf und ließ während des Tages eine geweihte Kerze brennen. Da man sich aber in der Nacht, im Gegensatz zum Beginn des 20. Jahrhunderts, nicht mehr bei dem Verstorbenen aufhielt und deshalb eine unbeobachtete Kerze gefährlich gewesen wäre, entzündete man am Abend ein sogenanntes „Totenlicht“. Man benutzte ein einfaches Trinkglas, das zu zwei Dritteln mit Rapsöl gefüllt wurde. In dieses legte man einen sogenannten „Schwimmer“, dies war ein kleines Blechkreuz, das in der Mitte eine Öffnung hatte. An der Unterseite waren an den Enden flache Korkteile. In die Mitte des Kreuzes kam ein kleiner weißer Docht, der auf einem runden Plättchen, das aus dem gleichen Material bestand, saß, das Öl ansaugte und ganz bescheiden brannte. Eben ein Totenlicht. Dieses stellte man auf einen Stuhl neben dem Bett.

Da es im Sommer oft Fliegen hatte, bedeckte man das Gesicht des Verstorbenen mit einem Leinentuch. Bei sogenannten „besseren“ Leuten waren manchmal schwarze Blumen und oft auch die Worte „Ruhe sanft“ oder „Auf Wiedersehen“ eingestickt. Dieses Tuch wurde anscheinend über Generationen hinweg immer wieder benutzt. Bei Kondolenzbesuchen, die früher üblich waren, wurde es von einem Angehörigen jedes Mal zur Verabschiedung emporgehoben.

Starb jemand in der Nacht, waren die Ordensschwestern jederzeit erreichbar. Sodann konnte der Priester das Ableben gleich bei der Morgenandacht verkünden und der Messner läutete am gleichen Tag noch „Schiedling“ durch das Läuten aller Glocken, egal zu welcher Tageszeit.

Der Sarg wurde vom Schreinermeister nach Auftragseingang angefertigt. Schreinermeister Rupert Geiß erzählte mir, dass man in früheren Zeiten die Toten mit einem „Hollaschdogg“, einem Stab aus Holunder, gemessen hat. Und dies nicht nur, um unnötigerweise zu viel Holz zu verbrauchen, anscheinend hatte der „Hollaschdogg“ auch eine magische Schutzfunktion.

Lag ein Verstorbener im Haus, blieben meist zwei Angehörige vorwiegend in der Küche, denn oft kam das halbe Dorf, um sich von dem Toten zu verabschieden. Fast alle brachten eine zuvor beim Messner Wilhelm Knaus in der Kapellgass‘ gekaufte, lange Wachskerze mit.

Nahe Angehörige brachten Kränze. Man ging zu dem Toten in die Stube, gab Weihwasser und betete ein Vaterunser und ein Ave Maria. Die Kränze stellte man je nach Platzverhältnissen auf dreibeinige Metallständer um das Totenbett oder im Zimmer verteilt. Die Kerzen gab man normalerweise nach der Beerdigung der Schwester, die dafür sorgte, dass sie später in der Kirche als Altarkerzen für den Verstorbenen brannten.

Meistens erst am Tag der Beerdigung brachte der Schreinermeister mit einem Gesellen den Sarg für den Verstorbenen. Bevor es Sargausstattungen gab, waren die Särge nur mit Hobelspänen ausgelegt und man benutzte einfach noch das Betttuch des Toten.
Vor der Beerdigung stellte man den geschlossenen Sarg in den Hof oder, je nach Wohnverhältnissen, auf zwei Stühlen vors Haus. Im 19. Jahrhundert war es bei uns noch üblich, dass eine Braut als Hochzeitsgut von ihrem Vater deshalb auch immer zwei gleiche Brettstühle bekam.

Auf den Sargdeckel stellte man in die Mitte ein Kruzifix, zwei Kerzenleuchter und ein oder zwei gläserne Weihwasserschälchen mit Buchsbaumzweigen. An die Sarggriffe band man weiße Taschentücher für die Träger, in die man Rosmarinzweige und eventuell jeweils einen Geldschein mit einband. Vorher hatte man ja auch schon Rosmarinzweige als Zeichen der ewigen Liebe in den Sarg gelegt.

Ein alter Zeuterner Spruch lautet: „Rossamrói, Rossamrói, dudd ma an mói Dòdalad nói, gäbd ma an mói kalda Hend an móim selich End.“

Die Familie bestimmte die Träger, die meistens aus der Nachbarschaft kamen. War aber ein Verstorbener Mitglied in einem Verein oder bei einer Organisation, so war es für seine Kameraden eine Ehre, ihn zu Grabe zu tragen.

Schluss folgt.

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