Aus unserer Reihe: „Gebäude, die Geschichte(n) erzählen!“  Heute: Ubstadt Anwesen Bruchsaler Straße 1

Foto: Heimatverein Ubstadt-Weiher e.V.

Zunächst müssen wir feststellen, dass es sich bei dem derzeitigen auf der Bruchsaler Straße 1 befindlichen Haus das 1830 errichtet wurde und heute als Nebengebäude des Rathauses dient, nicht um das ursprüngliche Gebäude handelt, um das es im nachstehenden Text geht. Auch in den vorhergegangenen Jahren wird dieses Bauwerk wohl häufig durch natürliche oder menschengemachte Katastrophen teilweise bzw. vollständig zerstört worden sein. Daher reden wir in diesem Zusammenhang von Anwesen und nicht von Gebäude.

Erste Erwähnung einer „Gaststätte zum Schwanen“ können wir aus einer Nachlassakte der Gemeinde Ubstadt entnehmen.  Jost Scheuermann (verstorben vermutlich vor 1669) aus Bruchsal verheiratet mit Maria Sauer wird 1669 als erster „Schwanenwirt“ bezeichnet. Maria Sauer (*vermutlich 1649 – 1689) erbte das Grundstück 3 von ihrem Vater Jacob Sauer. Aus der Grundbuchakte erfahren wir weiter, dass zu Zeiten des Großvaters der Maria Sauer, Hans Sauer, das Grundstück 1627 noch ein „verbrannter Platz“ war.

Die Ehe mit Jost Scheuermann blieb kinderlos. Nach seinem frühen Tod verheiratete sich Maria Scheuermann geb. Sauer mit Hans Jacob Brackenheimer (*vermutlich 1643 -1680). Aus dieser Ehe gingen fünf Kinder hervor. Nachdem auch Hans Jacob Brackenheimer kein langes Leben vergönnt war, ging Maria Brackenheimer geb. Sauer eine dritte Ehe mit Johann Niederbühl (*vermutlich 1655 – 1735) ein. Für den Fall ihres Ablebens regelte ein für die damalige Zeit außergewöhnlicher Ehevertrag den Übergang des mütterlichen Erbes auf alle fünf Kinder aus der zweiten Ehe. Vermutlich führte der Gatte bis zur Volljährigkeit der erbberechtigten Kinder die Gastwirtschaft weiter.

Übrigens wird der Name Niederbühl vor 1680 nie in Urkunden erwähnt. Es kann vermutet werden, dass die Niederbühls nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618 -1648) in unser durch Krieg, Pest und Hunger entvölkertes Gebiet eingewandert sind.

Als nächster „Schwanen“-Wirt ist Peter Brackenheimer (1673 -1747), ein Sohn von Maria und Hans Jacob Brackenheimer und Stiefsohn von Johann Niederbühl, ausgangs des 17. Jahrhunderts in den Schatzungsbüchern erwähnt.

In dieser Zeit verwandelte der Pfälzische Erbfolgekrieg (1688 – 1697) unser Land und vor allem Ubstadt in eine öde Gegend. Dörfer und Städte sanken in Schutt und Asche. Im Spanischen Erbfolgekrieg (1702 – 1712) erreichte der Notstand einen weiteren Höhepunkt. Ubstadt hatte unter diesen Brandjahren besonders zu leiden. Nur wenige Gebäude des Dorfes blieben nach diesem neuen Kriegseinfall der Franzosen unbeschädigt.

Auch in den weiteren Besitzjahren der Familie Brackenheimer war Ubstadt von kriegerischen Ereignissen geprägt, der Polnische Erbfolgekrieg brachte in den Schreckensjahren 1734 – 1737 wieder die Franzosen nach Ubstadt. In dem bereits überdachten Rohbau der Kirche richteten sie ihr Lager ein. Zusätzlich erfasste in dieser Zeit die Bevölkerung eine neue Krankheitswelle: Die 1737 herrschende Ruhr forderte in Ubstadt 20 Todesopfer.

Die nächste Nachricht erhalten wir aus dem Jahre 1756, hier starb der „Schwanen“-Wirt Hans Georg Brackenheimer, Sohn des Peter Brackenheimer, im Alter von 74 Jahren. Die Gastwirtschaft war zwischenzeitlich an Johann Georg Keim (1722 – 1794) verpachtet.

Der Besitzer der gegenüberliegenden „Goldenen Krone“, Andreas Hagenmeier (1732 -1797), verheiratete sich schließlich mit der Witwe des Hans Georg Brackenheimer, Maria Johanna Ursula geb. Schanzenbach (1725 – 1757). Damit ging der Besitz des „Weißen Schwanen“, wie aus dem Schatzungsbuch von 1766 hervorgeht, an die Familie Hagenmeier über. Verschiedene Angehörige der Familie Hagenmeier betrieben den „Weißen Schwanen“ bis 1826.

Aus einer Mitteilung im historischen Anzeiger „Karlsruher Zeitung“ vom 05.03.1821 erfahren wir von dem Angebot, den „Schwanen“ zu Ubstadt zu versteigern. Hier wird das Anwesen wie folgt beschrieben: „Das Ganze besteht in einer 2stöckigen von Stein modellmäßig erbauten Wohnung, enthält 14 verschiedene Zimmer nebst 2 Küchen, geblattetem Speicher für 500 Malter Früchte, 2 Scheuern, 5 großen Ställen, 2 Kellern, nebst stark 5 Viertel Baumgarten mit 106 verschiedenen Obstbäumen, auch gehört noch ein doppeltes Almend-Stück von 3 Viertel guter Wiesen dazu.“

Vermutlich hatte der Verkaufswille der bisherigen Besitzer 1826 Erfolg, denn nun ging der „Schwanen“ in den Besitz des praktischen Arztes Jakob Michenfelder aus Zeutern, verheiratet mit Maria Josefa Bergmann aus Ubstadt, über. Er übte seinen Beruf und zusätzlich den des „Schwanen“-Wirtes aus (siehe Foto).

Das Gebäude des „Schwanen“, ein altes Fachwerkhaus, war mittlerweile stark sanierungsbedürftig. Um 1830 ließ Jakob Michenfelder das alte Bauwerk abreißen und errichtete das noch heute an der Bruchsaler Straße 1 stehende Gebäude. Nach seinem Tode 1842 führte seine Witwe den Wirtschaftsbetrieb weiter.

Und wieder brachte eine kriegerische Auseinandersetzung beinahe Tod und Trauer über das Haus: Während der Revolutionstage im Juni 1849 wurde der damals 20-jährige Sohn Julius beinahe ein Opfer der Willkürmaßnahmen der preußischen Soldaten. Davon verschont, führte er die Gastwirtschaft bis ins Jahr 1895. Nach der Verheiratung seines Sohnes Emil und dessen Wegzug nach Langenbrücken wurde der „Schwanen“ zum Verkauf angeboten.

Um diese Zeit suchte die Gemeinde einen Bauplatz für den geplanten Schulhausneubau. Hier kam der „Schwanen“ gerade richtig. Für 40000 Reichsmark konnte er mit sämtlichem Zubehör von der Gemeinde angekauft werden. Auf dem Hof bzw. Gartenplatz wurde 1897 bis 1898 der Schulhausneubau errichtet und das bisherige Gastwirtschaftsgebäude zu Lehrerwohnungen umgebaut. So endet die Geschichte einer der ältesten Gastwirtschaften des Dorfes, aber nicht des Anwesens.

Nach dem Neubau der Grund- und Hauptschule im Gewann „Hofäcker“ im Jahr 1964 wurde das ehemalige Schulhaus zum Rathaus umfunktioniert. Der noch gute bauliche Zustand und der repräsentative Baustil boten eine ideale Voraussetzung. Im ehemaligen Gasthaus waren notleidende Familien untergebracht. Seit 1974 dient es als Verwaltungsgebäude. Der Haupteingang im Erweiterungsbau in der Mitte der beiden Gebäude wurde 1988 eingeweiht und beherbergt neben dem Sitzungssaal weitere Büroräume der Gemeindeverwaltung.

Autor: Beate Harder

Quellen und Fotos aus:

Geschichte der Gemeinde Ubstadt von Gustav Schulz

Ubstadt – Pforte zum Kraichgau von Karl Serden

Orts-Familienbücher von Herbert Beyer und Reiner Brecht

Ortsflyer Heimatverein Ubstadt-Weiher e.V.

 

 

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