„Bagga froger“ in Weiher

Karl Herzog mit Sohn Bäckerlehrling Werner Herzog. Foto: Werner Herzog

Wie früher in Weiher Brot gebacken und zum Bäcker gebracht wurde, darüber hat unser aktives Mitglied Marianne Bonert aus Weiher Informationen gesammelt, wofür wir ihr sehr herzlich danken möchten!

Hier ihr Bericht, der sicher viele Erinnerungen wecken wird:

„Der Bäcker hat gerufen….“ Diese Worte stammen aus einem alten bekannten Kinderlied. Aber warum rief er und wer kam dann? Brot und auch Kuchen kaufen viele heute ganz selbstverständlich in einer Bäckerei oder im Supermarkt. Aber früher war das anders: Der Bäcker blies in manchen Orten in ein Horn und „rief“ so, dass seine Backwaren nun fertig sind. Er öffnete den Fensterladen – so entstand unser Wort für Verkaufsladen – und bot seine Ware an. Gleichzeitig war es für viele Frauen auch das Signal, dass sie jetzt ihre Brote und Kuchen zum Backen bringen konnten, denn einen Backofen gab es damals in normalen Haushalten noch nicht.

In Weiher brachte man das Brot und auch den Kuchen zum Backen zur Bäckerei Karl Herzog, Rudolf Herzog („Roter-Bäckers“), jeweils Hauptstraße, „Beyer-Bäckers“, später Gregor Heneka (Ritter-, später Hahnenstraße), „Mina-Bäckers“ (Hauptstraße) und noch bis Ende der 80er Jahre wurde regelmäßig bei Gregor Heneka Brot gebacken. Auf dem Dorf erlebte und sah man die Frucht (Getreide) auf den Feldern wachsen, Mähdrescher durch den Ort und über die Felder fahren. Mehl wurde in einer Mühle gekauft oder man hatte einen größeren Vorrat an Roggen- und Weizenmehl in einem Mehlkasten, inklusive Sieb und Schaufel.

„Brot bagga” sah in vielen Häusern ungefähr so aus: Zuerst ging man zum Bäcker und hat „bagga frogt“, d. h. nachgefragt, wann man Brot zum Backen bringen kann. Gleichzeitig wurde dort auch Hefe gekauft, die von einem großen Stück abgeschnitten und eingepackt wurde. Eine kleine Portion Hefe kostete damals 5 Pfennige, die größere 10 Pfennige. Am Vorabend des Backtages wurde Mehl in eine große Schüssel gesiebt und „aigmärt“, d. h. man machte einen Vorteig aus Mehl, Wasser und Hefe. Dabei gab es sicherlich in jedem Haushalt verschieden große Teigschüsseln, eigene Rezepte und Mengenangaben, oft wurde ohne Waage und Messbecher gearbeitet. Am anderen Tag musste man früh aufstehen. Zum Mehl und dem Vorteig kamen lauwarmes Wasser und Salz. Der ganze Teig wurde nun mit der Hand gut durchgeknetet, anschließend mit einem Geschirrtuch abgedeckt und ca. zwei Stunden an einen warmen Platz zum „Gehen“ gestellt. Danach wurde er in Brotkörbe umgefüllt und musste noch einmal gehen. Mit der Hand wurde die Teigoberfläche nass gemacht („glaibelt“) und mit dem Finger wurden dann ein paar Löcher eingestochen. Auf die nasse Teigoberfläche wurde nun ein kleiner Zettel mit dem Namen geklebt. Dieser Zettel war sehr oft ein Stück unbedruckte Zeitung, andere Familien haben auch die Anfangsbuchstaben ihrer Nachnamen aus einem dünnen Teigstück auf das Brot geformt. Je nach Anzahl der Personen, die zu einer Familie gehörten, wurden entsprechend viele Brote gebacken. Bei vielen Kindern konnten dies dann schon einmal bis zu acht Brote in der Woche sein. Die Brotkörbe brachte man mit einem Schub- oder Handkarren (Leiterwagen) zum Bäcker, einige Frauen trugen früher auch einen sogenannten „Wisch“ (Tragring / Polster) auf dem Kopf, auf dem sie Brote oder Kuchen transportierten. Später gab es Netztaschen, in denen das Brot getragen oder mit dem Fahrrad transportiert werden konnte.

Meistens konnte das Brot ab 8 Uhr und dann jeweils zur vollen Stunde bis 11 Uhr gebracht werden. Der Bäcker musste schon um halb zwei morgens aufstehen und den Ofen vorheizen. Montags wurde bei allen Bäckern nicht gebacken. Diesen freien Tag nutzten des Öfteren alle Weiherer Bäcker, um sich im Café Albrecht zu treffen und dort wichtige, ihren Beruf betreffende Fragen zu besprechen. Ihr Motto hieß: „Einigkeit macht stark“.

Beim Bäcker trafen sich auch alle Leute, die an diesem Tag ihren Brotbacktag hatten. Dort erfuhr man gleich das Neueste vom Ort, bis der Bäcker dann alle Brote eingeschossen (in den Ofen geschoben) hatte. Mit leeren Brotkörben ging es wieder heim, bis man die fertigen Brote später abholen und das Backen bezahlen konnte. Ein Brotlaib wog durchschnittlich 1,5 bis 2 Kilogramm. Pro Kilogramm mussten 10 Pfennige fürs Backen bezahlt werden. Zu Hause wurden die Brote dann meistens im Keller in einem „Brothang“ aufbewahrt. Das war ein ca. 25 Zentimeter breites und 2 Meter langes Brett, das an der Decke des Kellers aufgehängt war. Das feuchte Klima im Keller (meist Gewölbe mit Lehmboden) ließ das Brot nicht so schnell trocken werden und schützte es auch vor Nagegetieren.

Bevor ein Brot angeschnitten wurde, machte man mit dem Messer oder mit der Hand auf dessen Unterseite ein Kreuz und sprach dazu: „Gott segne dieses Brot (und alle, die davon essen)“. Manche haben diese Tradition bis heute beibehalten, auch wenn das Brot nicht selbst gebacken wurde.

Brot gehört zu den wichtigsten Grundnahrungsmitteln. In keinem Land gibt es eine solche Vielfalt an Brotsorten wie bei uns in Deutschland: Weißbrot, Vollkornbrot, Sonnenblumen- und Dinkelbrot, glutenfrei oder eiweißreich, Knäckebrot oder Pumpernickel, um nur einige zu nennen.

Das erste, dem heutigen ähnliche Brot wurde von den alten Ägyptern erfunden. Sie kannten bereits vor 6000 Jahren Bäckereien, Backöfen und bis zu 30 verschiedene Brotsorten. Daher nannte man sie auch „die Brotesser“.

Mehr rund ums Brot kann man bei einem Besuch im Badischen Bäckermuseum in Kraichtal-Gochsheim oder im Ulmer Museum für Brotkultur erfahren.

Sehr herzlich möchte ich mich bei allen bedanken, die mit ihren Erinnerungen und ihrem Wissen zu diesem Bericht beigetragen haben.

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