Die Legende vom „Afä-Majä-Mendl“

Postkarte vom Pfarrberg
Foto: Archiv Heimatverein e.V.

Unser Mitglied Jörg Wontorra, Weiher, hat uns nachstehendes Weiherer „Gaischtergschichtle“ übermittelt, deren Sammlung unser verstorbenes Ehrenmitglied Benno Sischka angeregt hat:

„Früher trugen nur die wenigsten Leute eine Armbanduhr. Die Uhr am Weiherer Kirchturm und das Schlagen der Glocken waren für viele Menschen deshalb wichtig bei der Zeiteinteilung des Tages. Hinzu kam das liturgische Geläut der Kirche. Beginnend am Morgen um 6.00 Uhr mit dem Angelus-Läuten, was umgangssprachlich auch als „Ave-Maria-Läuten“ bezeichnet wurde – weil man bei diesem Läuten den „Engel-des Herrn“ zu beten hatte – über das „11.00 Uhr-Läuten“ bis zum erneuten Angelus-Läuten am Abend um 18.00 Uhr.

Das Angelus-Läuten am Abend hatte gerade für die Kinder eine große Bedeutung. In den allermeisten Familien war es Brauch, dass Kinder spätestens, wenn sie am Abend die Angelus-Glocke hörten, schnell nach Hause mussten. Nach dem „Ave-Maria-Läuten“ am Abend traf man kein Kind mehr auf der Straße an.

Da Kinder aber – früher wie heute – nicht unbedingt gerne den von den Eltern aufgestellten Regeln folgen, musste sich irgendwann einmal jemand eine Sanktion ausgedacht haben. Und hier kommt das „Afä-Majä-Mendl“ ins Spiel. In früheren Zeiten glaubten noch viele Leute an Geister und Gespenster. Das „Afä-Majä-Mendl“ war so ein Geist. Es war ein kleines, hutzliges Männchen, das nach der Sage auf dem Pfarrberg lebte und alle Kinder holte, die nach dem „Ave-Maria-Läuten“ noch auf der Straße waren. Traf ein Erwachsener nach dem Angelus-Geläut am Abend noch ein Kind auf der Straße an, sagte er: „Geh‘ schnell hom, sunscht holt dich s‘„Afä-Majä-Mendl“. Und ein Kind, dem dieses schreckliche Schicksal geweissagt wurde, nahm in der Regel die Beine unter den Arm und rannte so schnell wie möglich nach Hause.

Die Frage stellt sich nun, ob jemals ein Mensch das „Afä-Majä-Mendl“ gesehen hat.

Meine Mutter, Beatrice Wontorra, geborene Bader (geboren 1928, verstorben 2008) hat mir einmal von einer Begebenheit berichtet, die sie als kleines Mädchen erlebte. Es war vor dem Zweiten Weltkrieg an einem Tag im Spätjahr. Meine Mutter war so 9 oder 10 Jahre alt.
Meine Großeltern hatten geschlachtet und wie es damals so üblich war, bekam die ganze Verwandtschaft etwas davon ab. Also wurde meine Mutter beauftragt, in einer Milchkanne etwas frische Wurstsuppe und Filzl zu Onkel Ludwig und Tante Frenz (Franziska Hochadel, geborene Stohner) ins Bahnwärterhaus (Station 99) zu bringen. Es dämmerte schon, als sie sich auf den Weg machte. Und der war von der Ortsmitte weit. Als sie im Bahnwärterhaus angekommen war und ihren Auftrag erfüllt hatte, war es schon ziemlich dunkel geworden. Von ferne begannen die Kirchenglocken zu läuten – Angelus! Wie alle Kinder jener Zeit wusste meine Mutter, was das zu bedeuten hatte: Sie musste so schnell als möglich nach Hause, weil ja die Gefahr bestand, das sie sonst vom „Afä-Majä-Mendl“ geholt würde. Und zu allem Überfluss sagte ihre Tante Frenz dann auch noch: „Jetzt musch de awer dummler“.

Meine Mutter nahm also die Beine unter den Arm und begann Richtung Ort zu laufen. Zu allem Unglück führte der Feldweg – eine richtige Straße gab es zu jener Zeit zum Bahnwärterhaus noch nicht – direkt am Pfarrberg vorbei. Genau da, wo das „Afa-Maiä-Mendl“ bekanntlich hauste. Meine Mutter rannte und rannte in der Dunkelheit, um so schnell wie möglich wieder ins Ort zu kommen, sozusagen auf sicheres Terrain. Als sie am Pfarrberg vorbei lief schaute sie ständig nach links, ob denn das „Afä-Majä-Mendl“ vielleicht schon auf sie aufmerksam geworden sei. Und tatsächlich sah sie plötzlich zwischen den Bäumen eine Gestalt. Das konnte nur das „Afä-Majä-Mendl“ sein, welches sie jetzt holen wollte. Also nahm sie alle Kraftreserven zusammen und rannte noch ein wenig schneller, vorbei an der Kirche über Hauptstraße und Schulstraße bis nach Hause, wo sie total entkräftet ankam. Nochmals Glück gehabt: Das „Afä-Majä-Mendl“ hatte sie nicht geholt.

So war meine Mutter vielleicht einer der wenigen Menschen, die das „Afä-Majä-Mendl“ tatsächlich gesehen haben …“

Der Heimatverein Ubstadt-Weiher dankt seinem Mitglied Jörg Wontorra für diese Geschichte! Diese und viele weitere „Weiherer Geistergeschichten“ können Sie hier auf unserer Homepage nachlesen.

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