Zeuterner Sagen und Geschichten: Das helfende Zigeunerweiblein

Alter Kirchhof Zeutern
Foto: Georg Hasenfus

Während des Dreißigjährigen Krieges war in der Gegend um Zeutern ein altes Zigeunerweib heimisch. Es hatte, als der schwarze und der rote Tod (Pest und Flammen) umgingen, den Dorfbewohnern viel Gutes getan, denn es wusste in allem Bescheid, gab immer den richtigen Rat, war selbst gegen alles gefeit und besaß bisweilen fast übernatürliche Kräfte.

Als wieder einmal die Pest nicht aus dem Dorfe wich, war die Alte Krankenwärterin und Totengräberin zugleich. Für die Frauen des Dorfes wusste sie ganz geheime Mittel, wie man sich das lüsterne Kriegsvolk vom Leibe hält. Sie war ganz anders als ihre Artgenossinnen, denen man nachsagt, sie hätten während des Dreißigjährigen Krieges ein übles Doppelspiel getrieben. Das alte Zigeunerweib hatte sich als sehr hilfsbereit und dienlich erwiesen, man verschonte es vor den üblichen Anschuldigungen, dass das Zigeunervolk mit anderen Kräften im Bunde stehe, und nahm es nicht übel, wenn die Alte von Zeit zu Zeit ins Dorf kam, um sich einige Lebensmittel zu holen.

Da das Weib obendrein immer gut informiert war und die Zeuterner auf dem Laufenden darüber hielt, was anderwärts sich ereignete, kam sein zeitweiliger Besuch meist gar nicht ungelegen. So brachte dieses alte Zigeunerweib eines Tages auch die Kunde, dass wieder fremdes Kriegsvolk im Lande sei und raubend, mordend und sengend durch die Dörfer ziehe. Die Zeuterner begriffen wohl rasch, was ihnen drohe, und als sich eines Abends überm Wald (Oberer Wald) der Himmel rot färbte, rüstete man in Eile, um der Gefahr entgegenzutreten. Seit Jahren flehten die Frauen zum ersten Mal wieder:

Bet, Kindlein, bet!
Morgen kommt der Schwed!

Die Männer stellten eilends die Äxte bereit, keiner wollte zurückstehen, alle wollten sich mit dem Mut der Verzweiflung dem drohenden Unheil entgegenstemmen, denn es befanden sich noch einige unter den Männern, die den Schwedentrunk gekostet hatten und sich noch gut erinnern konnten, wie dieser schmeckte.

Andreas, dem die ganze Männerschar vertraute und der mit einigen Spähern ausgezogen war, um die Lage zu erkunden, kehrte am anderen Morgen ins Dorf zurück und berichtete: „Es hat keinen Wert, dass wir uns stellen, tut die Äxte weg, aber nicht so weit, dass ihr sie auch wieder findet. Es sind keine Schweden, sondern die da drüben“, wobei er über seine Schultern gen Westen zeigte und, wie sich später bestätigte, zweifellos die Franzosen meinte.

Wenn auch die Dörfler irrtümlich den „Schwed“ anstatt die Franzosen als fremdes Kriegsvolk erwarteten, sie waren jedenfalls gewarnt und gerüstet, und das alte Zigeunerweib hatte sich wieder einmal als zuverlässiger Bote erwiesen und seine Nützlichkeit unter Beweis gestellt.

(Quelle: Ortsbuch 1200 Jahre Zeutern, Eugen Hollerbach)

 
Zu dieser Sage ist uns keine weitere Version bekannt.

Auf unserer Webseite, die wir anlässlich 1250 Jahre Zeutern im Spätjahr freischalten wollen, sind dann alle Zeuterner Sagen und Geschichten mit weiteren Anmerkungen und Fotos zu finden.

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