Zeuterner Sagen und Geschichten: Die Wasserguckerin

„Wasserguckerin“ beim Jubiläumsumzug 1200 Jahre Zeutern. Foto: Christian Mannek
„Wasserguckerin“ beim Jubiläumsumzug 1200 Jahre Zeutern. Foto: Christian Mannek

Es sind gerade 100 Jahre vergangen, da hauste in Zeutern eine Frau, die in der ganzen Umgegend unter dem Namen „Wasserguckern“ bekannt war. Dieser Frau sagte man eine Art „zweites Gesicht“ nach; jedenfalls betrieb sie mit Hilfe eines Glases Wasser die Kunst des Wahrsagens.

Die Frau machte das so: Sie stellte das mit Wasser gefüllte Glas auf den Tisch, setzte sich davor, wisperte in das Glas hinein, worauf sich das Wasser getrübt hat (wahrscheinlich eine Folge des starken Kalkgehalts). Jetzt aber kommt das Seltsame. Augenzeugen berichteten seinerzeit, daß das Wasser auch manchmal aufgesprudelt sei. Wie das immer so geht, wenn man keine natürliche Erklärung weiß, so geriet die Frau in den Verdacht, mit dem Bösen im Bunde zu stehen. Einige Besucher behaupteten, jedesmal, wenn die Alte im Zimmer die Kunst des Wahrsagens ausübe, schaue der leibhaftige „Gottseibeiuns“ aus dem Speicherfenster heraus. Der Zulauf zur Zeuterner Wasserguckern aus der ganzen Umgebung war groß. Von überall her kamen die Leute, die in die Zukunft sehen wollten. Oft soll der Andrang der Menschen so stark gewesen sein, daß viele wieder umkehrten, um sich ein anderes Mal von der Wahrsagerin beraten zu lassen.

Die Geistlichen in Zeutern, Odenheim, Eichelberg, Elsenz usw. hatten ihre liebe Not mit der Wasserguckern. Ihr Gebaren wurde selbstverständlich als krasser Aberglaube abgetan. Aber die Wasserguckern setzte ihr Gewerbe dessen ungeachtet fort. Die kirchlichen Visitationsberichte beschäftigten sich mehrmals mit der Zeuterner Alten. Jedenfalls wurden die Geistlichen aufgefordert, dem Aberglauben unter dem Volk mit aller Kraft durch die Predigt usw. entgegenzuwirken.

Die Kundschaft der Wasserguckern bestand zum größten Teil aus Liebespaaren, die wissen wollten, ob es zur Eheschließung kommt, wie sich die Ehe, die Zukunft usw. gestalten. Neugierige Mädchen erkundigten sich nach ihrem Zukünftigen. Manche Eltern fragten um Rat, ob der gewählte Ehepartner für ihren Sohn bzw. ihre Tochter der richtige sei. Selbst Geschäftsleute nahmen die Hilfe der Wasserguckern in Anspruch. Sie fragten an, ob ein geplantes oder begonnenes Unternehmen gut ende, ob es sich lohne, in eine Sache Geld hineinzustecken und dergleichen mehr. Geschah irgendwo ein Diebstahl, so fragte man die Wasserguckern um Rat, wie die Angelegenheit aufzuklären sei, wo der Dieb zu finden wäre usw. Die alten Berichte sagen nun, daß die Wasserguckern in manchen Fällen die Wahrheit traf, oder ihr mindestens sehr nahe kam. Irgendwelche Belohnung für ihre Tätigkeit nahm die Alte nicht an. Sie wies es auch weit von sich, mit Kartenlegereien, Zukunftsdeutereien und dgl. in einem Atemzug genannt zu werden. Ihr Wissen, so betonte die Wasserguckern mehrmals, habe sie von innen, aus dem Geist, wie sie sagte. Solche Dinge könne man nicht erwerben, man müsse sie eben haben.

Restlos verbürgt ist eine Geschichte, die einen Wiesentaler Kaufmann betraf. Ihm wurden aus der Kasse 100 Gulden entwendet. Um festzustellen, wer der Dieb sein könnte, entschloß er sich, zur Wasserguckern nach Zeutern zu gehen. In Stettfeld kehrte der Kaufmann auf dem Heimweg bei Verwandten ein und erzählte folgendes: Die Wasserguckern habe ihm erklärt, daß der Dieb die erste Frau sei, der er beim Nachhausekommen begegne.

Was geschah nun in Wiesental? – Die erste Frau, die dem Kaufmann begegnete, war die eigene Frau. Erst zweifelte der Mann an seinem Verstand, dann aber fragte er doch nach dem Geld, und siehe da – die Frau gestand sofort die Wegnahme der 100 Gulden ein. Ob die Wasserguckern von Zeutern aufgrund übernatürlicher Kräfte der Diebin auf die Spur kam oder ob das Ganze ein blinder Zufall war, das zu entscheiden wollen wir dahingestellt sein lassen, weil es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, von denen sich unsere Schulweisheit nichts träumen läßt.

(Quelle: Ortsbuch 1200 Jahre Zeutern, Eugen Hollerbach)

 
Zu dieser Sage ist uns keine weitere Version bekannt.

Auf unserer Webseite, die wir anlässlich 1250 Jahre Zeutern im Spätjahr freischalten wollen, sind dann alle Zeuterner Sagen und Geschichten mit weiteren Anmerkungen und Fotos zu finden.

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